Mit Marco Hutter gewinnt ein Pionier der mobilen Robotik den diesj?hrigen R?ssler-Preis. Die Auszeichnung ist der h?chstdotierte Forschungspreis an der ETH Zürich.
Vor zehn Jahren konnten sie sich kaum fortbewegen. Heute ver?ndern die autonomen Laufroboter von Marco Hutter und seinem Team ein ganzes Feld – und künftig sollen diese hochmobilen Roboter bei Such- und Rettungsarbeiten unterstützen, oder gar andere Planeten erkunden. Für seine Forschung erh?lt der Professor am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik der ETH Zürich nun den diesj?hrigen R?ssler-Preis. Es ist ein Meilenstein, ja Etappensieg auf dem Weg, der für Hutter bei einer simplen Frage begann: ?Wie müssen wir Roboter bauen, damit sie sich wie ein Mensch oder Tier über jegliches Gel?nde bewegen k?nnen??
Schnell war klar: statt eines Raupen- oder Radantriebes sollten es Beine sein. Diese Antwort warf jedoch die Frage auf, wie so ein Beinantrieb für einen Roboter überhaupt aussehen und funktionieren sollte. ?Wir haben uns also mit der Entwicklung neuer Antriebs- und Steuerungskonzepte besch?ftigt, wobei die Roboter anfangs noch gar nichts konnten und weit von einer nützlichen Anwendung entfernt waren?, erkl?rt Hutter.
Roboter, die auf Hindernisse klettern – und mehr
Im Laufe der Jahre haben sich die Technologien st?ndig weiterentwickelt, sodass Roboter heute in der Lage sind, über schwierigstes Gel?nde zu navigieren und in der realen Welt eingesetzt werden k?nnen. Marco Hutter nennt Beispiele: ?Unsere Laufroboter werden heute für Industrieinspektionsarbeiten kommerziell genutzt und wir erforschen neue F?higkeiten, die in Zukunft Erkundungs- oder Rettungseins?tze in komplett unbekannten Umgebungen erm?glichen.?
Dabei setzt das Team von Marco Hutter seit Jahren auf Künstliche Intelligenz: Mittels maschinellen Lernens wird dem Roboter beigebracht, die Umgebung zu verstehen und mit ihr zu interagieren. Steht der Laufroboter vor einem Hindernis, erkennt er mit Hilfe einer Kamera und eines künstlichen neuronalen Netzwerks, um welche Art von Hindernis es sich handelt. Er führt dann die Bewegungen aus, die er zuvor im Training als erfolgversprechend erlernt hat. Fast wie ein wissbegieriger Hund. Kein Wunder also, heisst der vierbeinige Roboter ?ANYmal? – ein Kunstwort bestehend aus ?überall? (eng: anywhere) und ?Tier? (eng: animal).
Die Grundlagenforschung aus Hutters Team findet nicht nur Anwendung im Bereich der Laufrobotik. ?Die Technologien zur Autonomie, der Umgebungswahrnehmung, oder das maschinelle Lernen zur Regelung nutzen wir heute zum Beispiel zur Automatisierung von Bagger- und Forstmaschinen, für Roboter in der Landwirtschaft, oder für Logistikaufgaben?, erg?nzt Hutter.
Auszeichnung für einen Pionier
Hutters Arbeit zur Mobilit?t und Autonomie von KI-gesteuerten Laufrobotern haben die Robotik-Forschung grundlegend ver?ndert und gleichzeitig dazu beigetragen, die ETH Zürich als weltweit führende Institution in der Robotik zu verankern. Für sie erh?lt Hutter den R?ssler-Preis in diesem Jahr. Die Auszeichnung würdigt nicht nur seine wissenschaftlichen Pionierleistungen – die revolution?re, auf maschinellem Lernen basierende Fortbewegungssteuerung ist heute ein Standard, der an der ETH entwickelt wurde. Die Auszeichnung würdigt auch das hohe Niveau, das Hutter in den Bereichen Technologietransfer, Unternehmertum sowie Community- und Projektinitiativen erreicht hat. Hutter habe es geschafft, ?ein weites Kooperations-Netz zu spannen?, erkl?rt ETH-Zürich-Pr?sident Jo?l Mesot. ?Es ist eine grosse Ehre, mit dem R?ssler-Preis 2024 ausgezeichnet zu werden. Ich habe Herrn R?ssler vor mehr als zehn Jahren kennengelernt, als ich noch ganz am Anfang meiner Forschung stand. Damals h?tte ich nie gedacht, dass ich einmal eine solche Auszeichnung erhalten würde?, sagt Marco Hutter.
Kreativit?t und interdisziplin?res Fachwissen
Hutter interessierte sich schon früh dafür, wie Maschinen gebaut sind, wie Mechaniken funktionieren. Kein Wunder, dass es ihn an die ETH Zürich zog, wo er seine Bachelor-Arbeit bereits über Mikrorobotik schrieb, gefolgt von einer Semesterarbeit und einem Industriepraktikum über Regelungssysteme. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen im Bachelor-Studium wurde er im Master mit einem der ersten Exzellenz-Stipendien der ETH Foundation gef?rdert. Seine Master-Arbeit schrieb Hutter im Bereich Modellierung und Laufrobotik bei Roland Siegwart, Professor für Autonome Systeme.
So erwarb er wichtige F?higkeiten, um neue Fragen in der Robotik zu erforschen. ?Wenn mich jemand fragt, was ich mache, antworte ich oft: Spielen für Erwachsene. Ich glaube, dass man das Spielerische braucht, um kreativ neue Ideen zu entwickeln – und gleichzeitig macht die Arbeit sehr viel Spass?, führt Hutter aus. Dabei sei ein solides theoretisches Grundwissen unerl?sslich – sei es in Mathematik, Regelungstechnik oder maschinellem Lernen. Robotik eben, ein interdisziplin?res Feld. ?Wir arbeiten mit Umweltwissenschaftler:innen, Architekt:innen , Geolog:innen, und Expert:innen aus dem Baubereich und vielen anderen Disziplinen zusammen. Das macht die Arbeit sehr interessant. Man muss offen sein und fachübergreifend arbeiten k?nnen?, erg?nzt er.
?Marco Hutter ist eine bekannte Gr?sse in der globalen Forschungs-Community und eine Person mit Macher-Qualit?ten.?Jo?l Mesot, Pr?sident der ETH Zürich
Technologietransfer und Unternehmergeist
Vor zehn Jahren erhielt Marco Hutter ein Pioneer Fellowship der ETH Foundation und gründete damit zusammen mit seinem Forscherteam das damalige Start-up ANYbotics. Das Pioneer Fellowship half, die Laufrobotertechnologie von der Erforschung bis zur kommerziellen Anwendung zu bringen. Der Technologietransfer von der Wissenschaft in die Praxis ist ein wichtiges Element in der Arbeit von Hutter. Er beschr?nkt sich nicht auf theoretische, simulationsbasierte oder konzeptionelle Forschung, sondern geht über den Konzeptnachweis hinaus und zeigt L?sungen auf, die in realistischen Szenarien funktionieren. So ist Hutter Inhaber von sechs Patenten und hat in seiner Gruppe einen starken Unternehmergeist entwickelt, aus dem bisher acht ETH-Spin-offs hervorgegangen sind.
?Es ist sch?n zu sehen, dass unsere Arbeit nicht nur von wissenschaftlicher Bedeutung ist, sondern auch einen breiteren Einfluss auf die Gesellschaft und die Wirtschaft hat, insbesondere durch Start-ups.?Marco Hutter
Ein aktuelles Beispiel für den Realit?tscheck der neusten Forschung im Bereich mobile Manipulation ist die Teilnahme am diesj?hrigen Cybathlon, bei dem es darum geht, wie Menschen mit k?rperlichen Einschr?nkungen durch robotische Assistenzsysteme unterstützt werden k?nnen. Der Roboter kann auf Befehl einen Apfel vom Tisch nehmen und zum Essen reichen, eine Tür ?ffnen oder etwas aus dem Briefkasten holen. Für solche Aufgaben war bisher immer eine zus?tzliche Person n?tig.
Das er?ffnet neue M?glichkeiten für die Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen mit k?rperlichen Einschr?nkungen, und es gibt immer mehr solcher Beispiele. Doch Hutter zügelt die Erwartungen etwas: Trotz dieser Fortschritte seien die Systeme im Vergleich zu Menschen oder Tieren immer noch sehr einfach. ?Ziel ist es daher, Roboter immer mehr mit einem besseren Verst?ndnis ihrer Umgebung zu verknüpfen. Ein Roboter in einem Geb?ude muss zum Beispiel wissen, was eine Tür ist und wie sie funktioniert, oder dass er, um einen Apfel zu holen, sich wohl am ehesten in die Küche begeben muss?, erg?nzt Hutter.
Von der Munitionsr?umung bis zum Mars
Marco Hutter und sein Team engagieren sich intensiv in verschiedenen Bereichen, in denen sie ihre Systeme einsetzen k?nnen, h?ufig in Bereichen, wo es für Menschen zu gef?hrlich ist wie bei der Munitionsr?umung im ehemaligen Munitionslager Mitholz.
Schon lange hegt Hutter den Wunsch, Roboter der ETH im Weltraum einzusetzen. ?ber die Jahre hat er immer wieder gezeigt, dass Laufroboter Steigungen und Hindernisse viel besser überwinden k?nnen als solche mit Raupen oder R?dern. ?Das ist zwar komplex, aber die Technologie ist inzwischen so weit, dass sie diese Herausforderungen meistern kann?, sagt Hutter. Deshalb sei es heute m?glich, über neue Anwendungen nachzudenken. Zum Beispiel k?nnten Roboter in Krater auf dem Mars oder dem Mond klettern, dort Erkundungen durchführen und Daten liefern, zu denen wir bisher keinen Zugang hatten.
Der R?ssler Preis
Max R?ssler vermachte 2008 der ETH Zürich Foundation zehn Millionen Franken. Mit dem Zins aus diesem Verm?gen stiftet er einen j?hrlichen F?rderpreis für ETH-Professor:innen in der Expansionsphase ihrer Forschungskarriere. Der Preis ist mit 200‘000 Franken die h?chstdotierte Auszeichnung für Forschung an der ETH Zürich und wird jeweils am ?Thanks Giving?-Anlass der externe Seite ETH Zürich Foundation verliehen. Der Preisstifter studierte an der ETH Zürich Mathematik und doktorierte über Bahnberechnungen in der Raumfahrt. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University kehrte er an die ETH zurück und war von 1967 bis 1978 Senior Scientist und Lehrbeauftragter am Institut für Operations-Research. Sp?ter war er in der Verm?gensverwaltung t?tig, ehe er sich aus dem Gesch?ftsleben zurückzog. 2013 verlieh ihm die ETH Zürich den Titel eines Ehrenrats.
Weitere Informationen zum externe Seite R?ssler-Preis.