Forschende weisen tägliche Meteoriteneinschläge auf dem Mars nach

Ein internationales Team von Forschenden kombiniert Bilder aus dem Weltraum mit seismologischen Daten von der InSight-Sonde, um die Einschlagsrate von Meteoriten auf dem Mars neu zu bestimmen. Die Seismologie liefert ausserdem neue Erkenntnisse über die Dichte von Marskratern und das Alter verschiedener Regionen eines Planeten.

Meteorit auf dem Mars
Erster Meteoroiden-Einschlag, der von der InSight-Mission der Nasa aufgezeichnet wurde. Das Bild wurde von der HiRISE-Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommen. (Bildnachweis:) NASA/JPL-Caltech/University of Arizona)

In Kürze

  • Forschende nutzen erstmals seismische Daten, um eine globale Einschlagsrate von Meteoriten zu sch?tzen. Aus ihren Analysen geht hervor, dass fast t?glich Meteoroiden von der Gr?sse eines Basketballs auf dem Mars einschlagen.
  • Die dadurch hervorgerufenen seismischen Signale zeigen, dass die Zahl der Meteoriteneinschl?ge fünfmal h?her ist als vermutet.
  • Die seismischen Daten dienen nicht nur zur Beobachtung, sondern fungieren auch als neues Instrument zur Berechnung der Einschlagsraten von Meteoriten und unterstützen die Planung zukünftiger Mars-Missionen.

Einem internationalen Team von Forschenden unter gemeinsamer Leitung der ETH Zürich und des Imperial College London ist anhand von seismischen Daten erstmals eine Sch?tzung der globalen Meteoriteneinschl?ge auf dem Mars gelungen. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass jedes Jahr zwischen 280 und 360 Meteoriten auf dem Planeten einschlagen und zur Bildung von Kratern mit einem Durchmesser von über 8 Metern führen. Géraldine Zenh?usern von der ETH Zürich, eine der Leiterinnen der Studie, kommentiert: ?Die ermittelte Rate ist etwa fünfmal h?her als die Zahl der Einschl?ge, die allein anhand von bildgebenden Verfahren gesch?tzt wurde. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Seismologie in Kombination mit der Analyse von Weltraumbildern ein hervorragendes Instrument zur Messung der Einschlagsraten ist.?  

Seismisches ?Pfeifen? als Hinweis auf neue Erdbebenart

Erm?glicht wurde dies durch die Aufzeichnung eines kurzen Pfeifens, das Meteoriten bei ihrem Eintritt in die Marsatmosph?re verursachen. Die Forschenden werteten Daten des Seismometers aus, das von der InSight-Mission der Nasa eingesetzt wurde. Sie stellten fest, dass sechs seismische Ereignisse, die in der N?he der Sonde aufgezeichnet wurden, zuvor als Meteoriteneinschl?ge identifiziert worden waren (Garcia et al., 2023). Zenh?usern von der ETH Zürich, ihre Co-Leiterin Natalia Wójcicka vom Imperial College London und das Forschungsteam fanden nun heraus, dass diese sechs seismischen Ereignisse Teil einer viel gr?sseren Gruppe von Marsbeben waren, die als Ereignisse mit sehr hoher Frequenz (very high frequency, VF) bezeichnet werden. Solche Beben entstehen mit viel gr?sserer Geschwindigkeit als tektonische Marsbeben vergleichbarer St?rke. So braucht es für ein normales Beben der St?rke 3 auf dem Mars mehrere Sekunden, bei einem durch einen Hochgeschwindigkeitseinschlag verursachten Ereignis derselben St?rke jedoch nur 0,2 Sekunden oder weniger. Durch die Analyse der Spektren von Marsbeben wurden weitere 80 Beben identifiziert, als deren Ursache nun Einschl?ge von Meteoroiden angenommen werden. 

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?Die Seismologie ist ein hervorragendes Instrument zur Messung der Einschlagsraten.?
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Géraldine Zenh?usern

 

Seismischen Daten leiten erstmals Einschlagsrate von Meteoriten her

Jedes Jahr fallen rund 17 000 Meteoriten auf die Erde. Solange ihr Schweif nicht am Nachthimmel zu sehen ist, werden sie nur selten bemerkt. Die meisten Meteore zerfallen, wenn sie in die Erdatmosph?re eintreten. Auf dem Mars ist die Atmosph?re jedoch hundertmal dünner. Dadurch ist die Oberfl?che des Planeten gr?sseren und h?ufigeren Meteoriteneinschl?gen ausgesetzt.

Bisher verliessen sich Planetenforschende auf Weltraumbilder und Modelle, die aus gut erhaltenen, durch Meteoriteneinschl?ge verursachten Kratern auf dem Mond abgeleitet wurden. Diese Sch?tzungen konnten aber nicht ohne Weiteres auf den Mars übertragen werden. So müssen Forschende die st?rkere Anziehungskraft des Mars und die N?he des Roten Planeten zum Asteroidengürtel berücksichtigen. Beide Faktoren führen dazu, dass mehr Meteoriten auf dem Mars einschlagen. Aufgrund regelm?ssiger Sandstürme sind die Krater auf dem Planeten zudem weniger gut erhalten als auf dem Mond und k?nnen daher durch Weltraumbilder nicht so leicht entdeckt werden. Beim Einschlag eines Meteoriten auf dem Mars breiten sich die durch die Kollision verursachten seismischen Wellen durch die Kruste und den Mantel aus und k?nnen von Seismometern aufgezeichnet werden. Dadurch bietet sich eine vollkommen neue M?glichkeit, die Einschlagsrate auf dem Mars zu messen.

Wójcicka erkl?rt: ?Wir haben die Durchmesser der Krater anhand der St?rke und Entfernung der Hochfrequenz-Marsbeben gesch?tzt. Anhand dieser Sch?tzungen haben wir dann berechnet, wie viele Krater sich im Laufe eines Jahres um die InSight-Sonde gebildet hatten. Diese Daten haben wir extrapoliert, um die Anzahl der j?hrlichen Einschl?ge auf der gesamten Marsoberfl?che zu sch?tzen.?

Zenh?usern fügt hinzu: ?Neue Krater sind auf flachem, staubigem Gel?nde am besten zu sehen, denn dort fallen sie besonders auf. Allerdings ist diese Art von Gel?nde nur auf weniger als der H?lfte der Marsoberfl?che zu finden. Das empfindliche Seismometer der InSight-Mission konnte jedoch jeden einzelnen Einschlag innerhalb der Reichweite der Sonde aufzeichnen.?

Erkenntnisse über das Alter des Roten Planeten und zukünftige Mars-Missionen

?hnlich wie Linien und Falten in einem Gesicht geben Gr?sse und Dichte der durch Meteoriteneinschl?ge entstandenen Krater Aufschluss über das Alter verschiedener Regionen eines Planeten. Das heisst: Je weniger Krater, desto jünger ist die betreffende Region. So weist Venus zum Beispiel fast keine sichtbaren Krater auf, weil der Planet durch eine dicke Atmosph?re geschützt ist und seine Oberfl?che durch Vulkanismus laufend neu gebildet wird. Die uralten Oberfl?chen des Planeten Merkur und des Mondes sind hingegen von Kratern übers?t. Der Planet Mars liegt irgendwo dazwischen, denn dort gibt es einige junge und einige alte Regionen, die sich anhand der Zahl der Krater unterscheiden lassen.

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?Wir haben die Durchmesser der Krater anhand der St?rke und Entfernung der Hochfrequenz-Marsbeben gesch?tzt.?
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Natalia Wójcicka

Aus den neuen Daten geht hervor, dass auf der Oberfl?che des Mars fast jeden Tag ein neuer Krater von 8 Metern Durchmesser entsteht, ein Krater mit 30 Metern Durchmesser etwa einmal im Monat. Da durch Hochgeschwindigkeitseinschl?ge Explosionszonen entstehen, deren Durchmesser oft mindestens hundertmal so gross ist wie der Krater, ist es für die Sicherheit von Missionen – jetzt noch mit Robotern, künftig auch mit Menschen – wichtig, die genaue Zahl der Einschl?ge zu kennen.

?Diese Arbeit ermittelt als erste ihrer Art anhand von seismologischen Daten, wie h?ufig Meteoriten auf der Oberfl?che des Mars einschlagen, was eines der Ziele der ersten Stufe der Mars-Mission InSight war?, kommentiert Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich und Co-Principal Investigator der InSight-Mission der Nasa . ?Diese Daten werden in die Planung zukünftiger Missionen zum Mars einfliessen.?

Um diese Forschungen voranzutreiben, ist nach Auskunft von Zenh?usern und Wójcicka geplant, bei den n?chsten Schritten Technologien des maschinellen Lernens einzusetzen. Sie sollen die Forschenden dabei unterstützen, weitere Krater auf Satellitenbildern sowie seismische Ereignisse in den Daten zu identifizieren.

Literaturhinweise

Zenh?usern, G, Wójcicka, N, St?hler, SC, Collins, GS, Daubar, IJ, Knapmeyer, M, Ceylan, S, Clinton, JF, Giardini, D: An estimate of the impact rate on Mars from statistics of very-high-frequency marsquakes. Nature Astronomy, 2024, externe Seite doi.org/10.1038/s41550-024-02301-z

Daubar, IJ, Garcia, RF, Stott, AE, Fernando, B, Collins, GS, Dundas, CM, Wójcicka, N, Zenh?usern, G, McEwen, AS, St?hler, SC, Golombek, M, Charalambous, C, Giardini, D, Lognonné, P, Banerdt, WB: Seismically Detected Cratering on Mars: Enhanced Recent Impact Flux? Science Advances, 2024, externe Seite doi: 10.1126/sciadv.adk7615

Posiolova, L.V., et al: Largest recent impact craters on Mars: Orbital imaging and surface seismic co-investigation. Science 378, 412–417, 2022, externe Seite doi.org/10.1126/science.abq7704

Garcia, R.F., et al: Newly formed craters on Mars located using seismic and acoustic wave data from InSight. Nature Geoscience 1–7, 2022, externe Seite doi.org/10.1038/s41561-022-01014-0

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