«Geoengineering löst das Problem des Klimawandels nicht»
Ein Team um ETH-Klimaforscher Sandro Vattioni hat gezeigt, dass sich Diamantenstaub in der Atmosph?re gut eignen k?nnte, um das Klima abzukühlen. Eine nachhaltige L?sung für den Klimawandel ist das aber trotzdem nicht, sagt Vattioni im Interview mit ETH-News.
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In Kürze
- ETH-Forschende haben gezeigt, dass sich Diamantenstaub in den obersten Luftschichten besonders gut dafür eignen k?nnte, die Sonnenstrahlung zu reflektieren und damit das Klima abzukühlen.
- Die Technologie stellt aber keine nachhaltige L?sung für den Klimawandel dar, hat jedoch das Potential einige seiner negativen Auswirkungen tempor?r abzumildern.
- Allerdings sind die Unsicherheiten noch so gross, dass aktuell nicht an einen Einsatz der Technologie zu denken ist. Es braucht deutlich mehr Forschung zum Thema.
Herr Vattioni, womit befasst sich ihre Studie?
Wir haben uns mit einer Methode des solaren Geoengineerings besch?ftigt. Das ist eine Technologie, bei der Aerosole in die obere Atmosph?re emittiert werden. Dort würden sie dann einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins Weltall reflektieren. In unserer Studie haben wir untersucht, welche Aerosole sich dafür am besten eignen würden und welche Prozesse die Effizienz der Reflexion beeinflussen.
Was sind Aerosole?
Aerosole sind winzige Teilchen, welche in der Atmosph?re schweben. Sie haben einen kühlenden Effekt auf das Klima, da sie Sonnenstrahlung reflektieren. Ein natürliches Beispiel für diesen Effekt sind zum Beispiel Vulkanausbrüche, welche Schwefeldioxid emittieren, das in der Atmosph?re Schwefels?urepartikel bildet, welche kühlend auf das Klima wirken. Daher hat sich bis jetzt die meiste Forschung in diesem Bereich mit der Emission von Schwefeldioxid befasst.
Was haben Sie genau herausgefunden?
Wir konnten mittels Computersimulationen zeigen, dass sich Diamantenstaub – winzige Teilchen aus reinem Kohlenstoff – in den obersten Luftschichten besonders gut für das solare Geoengineering eignen würde. Er reflektiert Sonnenlicht am st?rksten und vermindert einige der negativen Umweltauswirkungen, welche zum Beispiel bei der Injektion von Schwefeldioxid entstehen würden.
Das müssen Sie erkl?ren.
Schwefels?ureaerosole w?rmen die obere Atmosph?re lokal auf, was die globale atmosph?rische Zirkulation und die globalen Niederschlagsmuster ver?ndern k?nnte. Diamantstaub zeigt jedoch fast keine Erw?rmung der oberen Atmosph?re. Schwefels?ure-Aerosole führen ausserdem zu saurem Regen. Das ist bei Diamentenstaub nicht der Fall.
Sandro Vattioni forscht an der Professur für Atmosph?renphysik der ETH Zürich.
Das klingt fast zu gut. Sind Diamanten in der Atmosph?re tats?chlich eine L?sung für den Klimawandel?
Nein, auf keinen Fall. Das solare Geoengineering l?st das Problem des Klimawandel nicht. Es hat jedoch das Potenzial, einige seiner negativen Auswirkungen tempor?r abzumildern. Die einzige nachhaltige L?sung für den Klimawandel bleibt die schnelle Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen auf Netto-Null und die Implementierung von Treibhausgasentnahmetechniken.
Wie gut kommen diese Bemühungen voran?
Momentan sieht es leider nicht so aus, dass die globalen Treibhausgasemissionen in den n?chsten Jahren drastisch sinken. Dies birgt das Risiko, dass wir unumkehrbare ?kologische und klimatologische Kipppunkte überschreiten k?nnten. Um dieses Risiko zu vermindern, k?nnte solares Geoengineering tempor?r die weitere Erw?rmung der Atmosph?re reduzieren, bis wir das Netto-Null Ziel erreicht und Techniken zur Treibhausgasentnahme implementiert sind.
Ist das nicht viel zu riskant für unser ?kosystem? Zahlreiche Expert:innen warnen vor den Kollateralsch?den des Geoengineerings.
Diese Bedenken müssen wir unbedingt ernst nehmen. Es deutet aber einiges darauf hin, dass Diamantenstaub und andere Aerosole im Vergleich zu Schwefeldioxid geringere Auswirkungen auf die Umwelt haben. Allerdings sind die Unsicherheiten hier noch sehr gross. Daher braucht es noch mehr Forschung, bevor man überhaupt über einen m?glichen Einsatz nachdenken kann. Unabh?ngig davon gibt es aber auch moralische Bedenken zum Einsatz von solarem Geoengineering: Wer soll zum Beispiel darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang solche Technologien eingesetzt werden? Es ist jedoch immer wichtig, diese Bedenken mit den Risiken zu vergleichen, welche uns in Zukunft durch den fortschreitenden Klimawandel erwarten.
In der medialen Berichterstattung zu ihrer Studie kursiert ein Betrag von rund 175 Billionen Dollar, um die mittlere globale Temperatur um 1,6 Grad Celsius zu senken. Wie kommt man auf diese Zahl?
Die Kosten eines potenziellen Einsatzes haben wir nicht untersucht. Andere Studien zeigen jedoch, dass die Produktion von synthetischem Diamantstaub sehr teuer und energieintensiv ist. Wir konnten in unserer Studie jedoch nachweisen, dass Partikel aus Kalzit ?hnlich gut abschneiden wie Diamantenstaub. Kalksteine sind aus Kalzit und kommen in allen Teilen der Erde in grossen Mengen vor. Hier w?ren die Produktionskosten wahrscheinlich ?hnlich günstig wie jene von Schwefeldioxid.
Warum braucht es diese Forschung überhaupt?
Ich bin der Ansicht, dass wir angesichts der düsteren Aussichten des Klimawandels Forschung brauchen, welche das m?gliche Potential und vor allem die m?glichen Risiken dieser Technologie untersucht. Diese Technologie nicht zu erforschen oder gar zu verbieten, w?re ebenfalls ein Risiko, da wir uns damit von einer Technologie abwenden würden, die dazu beitragen k?nnte, einige Klimarisiken abzuschw?chen.
Literaturhinweis
S. Vattioni, S. K. K?slin, J. A. Dykema, L. Beiping, T. Sukhodolov, J. Sedlacek, F. N. Keutsch, T. Peter, G. Chiodo, Microphysical Interactions Determine the Effectiveness of Solar Radiation Modification via Stratospheric Solid Particle Injection, Geophysical Research Letters: externe Seite doi: 10.1029/2024GL110575