CTRL+ALT+RELAX – oder wie digitale Tools gegen Arbeitsstress helfen

Die Arbeit in der digitalen Welt ist für viele zunehmend stressig. Für Erika Meins sind digitale Technologien und künstliche Intelligenz gleichzeitig Ursache und Teil der L?sung, da sie Stress effektiv mindern k?nnen.
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Stress ist per se nichts Schlechtes, im Gegenteil: Er hilft uns in herausfordernden Situationen H?chstleistungen zu erbringen. Sch?dlich wird es, wenn wir abends oder am Wochenende nicht mehr abschalten k?nnen, wenn Stress nicht abgebaut und chronisch wird.
Moderne Technologien k?nnen uns beim Management von Stress wirkungsvoll unterstützen, zum Beispiel bei der Erholung und Entspannung. Ein an unserem Lab entwickeltes Stressbew?ltigungstraining mit Virtual Reality (VR) erzielt wesentlich st?rkere k?rperliche Entspannung als dasselbe Training am Bildschirm.1 Dabei lernt man über die Atmung die eigene Herzaktivit?t zu kontrollieren – der Herzschlag wird gemessen und mittels VR in Echtzeit visualisiert.

Der Clou daran: Die Technologie kommt nur beim Erlernen der Atemübung zum Einsatz, danach funktioniert die Methode ohne jegliche Technologie und tr?gt bereits nach wenigen Atemzügen zur Entspannung bei. Die Kunst ist allerdings, das Erlernte im richtigen Moment anzuwenden. Auch hier kann uns neue Technologie unterstützen.
Licht- und Schattenseiten
Dank künstlicher Intelligenz ist es uns m?glich, lediglich anhand der Maus- und Tastaturaktivit?t Stress am Arbeitsplatz zu erkennen.2 Wird der Mauszeiger h?ufiger und weniger genau bewegt, ist das ein Hinweis auf Stress. Indem wir Daten selektiv erheben, so dass sie keine Rückschlüsse auf Personen und Aktivit?ten erm?glichen, bleiben Schutz der Privatsph?re und Datensicherheit gew?hrt. Die Mehrheit von befragten Arbeitnehmenden (64 Prozent) zeigt sich denn auch interessiert, solch digitales Stressmanagement für sich zu nutzen.3
CTRL+ALT+RELAX – eine Ausstellung zum Durchatmen

In der interaktiven Ausstellung pr?sentiert das Mobiliar Lab für Analytik Erkenntnisse und Anwendungen aus seiner Forschung zur digitalen Arbeitswelt. Besuchende erfahren, wie wir Stress bei der Arbeit mit und ohne digitale Helfer begegnen k?nnen. Die ?ffentliche Vernissage findet am Mittwoch, 5. M?rz 18:00 in Bern statt.
Mehr Informationen zur Ausstellung
Klar ist allerdings auch, dass in diesem sensitiven Gebiet gewisse ethische Leitplanken notwendig sind. Unsere Umfrage legt den Finger auf einen weiteren wunden Punkt: Die H?lfte der Befragten (52 Prozent) sorgt sich, dass digital unterstütztes Stressmanagement selber zu digitalem Stress beitragen k?nnte. Ein solch kontraproduktiver Effekt ist nicht unbegründet: Denn immer deutlicher zeigen sich auch die Schattenseiten des digitalen Arbeitens. So tragen digitale Arbeitsunterbrechungen bei Arbeitnehmenden wesentlich zum Spiegel des Stresshormons Kortisol bei.4
Gesucht: neue Arbeitskultur
Was heisst das für unseren Arbeitsalltag? Einerseits geht es um Selbstmanagement: Digitale Arbeitsunterbrechungen gilt es aktiv zu bewirtschaften, etwa in dem wir Hinweise und Push-Nachrichten von Mail- und Chatprogrammen bewusst abschalten und Zeiten für fokussiertes Arbeiten reservieren. Desweiteren sollten wir regelm?ssig Pausen einlegen und diese nicht vor dem Computer oder am Handy verbringen. Wer sich in Pausen mit anderen austauscht oder draussen frische Luft schnappt, beugt nicht nur Stress vor, sondern steigert Wohlergehen und Leistungsf?higkeit. Schliesslich k?nnen wir unseren K?rper aktiv unterstützen, Stress abzubauen: Indem wir uns bewegen oder bewusst atmen – mit oder ohne technologische Hilfsmittel.
Neben unserer eigenen Handlungskompetenz sind wir aber auch abh?ngig vom Arbeitsumfeld. Dieses hat sich mit den neuen digitalen M?glichkeiten für viele von uns beschleunigt oder durch KI sogar fundamental ver?ndert. Erwartungen bezüglich Pr?senzzeiten im Büro, Zeiten für st?rungsfreies Arbeiten, Erreichbarkeit und Freizeit sowie geeignete Kommunikationskan?le müssen neu verhandelt werden.
?Es braucht ein neues gemeinsames Verst?ndnis, wie wir in einer digitalen Welt verantwortungsvoll zusammenarbeiten wollen und k?nnen.?Erika Meins
Digitale Technologien und künstliche Intelligenz haben dank ihrer Vorteile bereits heute unsere Arbeitswelt revolutioniert. Nun k?nnen sie auch zum digitalen Management von Stress und damit zur Pr?vention von chronischem Stress bei der Arbeit beitragen. Das alleine genügt aber nicht: Aus meiner Sicht braucht es auch ein neues Verst?ndnis, wie wir in einer digitalen Welt verantwortungsvoll zusammenarbeiten wollen und k?nnen.
Erika Meins verfasste diesen Beitrag gemeinsam mit Mara N?gelin, ehemalige Doktorandin am Mobiliar Lab für Analytik der ETH Zürich. Der Text ist in einer umfassenderen Version in der Publikation zur Ausstellung erschienen.
1 Weibel, R.P. et al. (2023). Virtual reality-supported biofeedback for stress management: Beneficial effects on heart rate variability and user experience, Comput Hum Behav 141, 107607. doi: externe Seite 10.1016/j.chb.2022.107607
2 Naegelin, M. et al. (2023). An interpretable machine learning approach to multimodal stress detection in a simulated office environment. J Biomed Inform 139, 104299. doi: externe Seite 10.1016/j.jbi.2023.104299
3 Kerr, J.I. et al. (2023). Investigating Employees’ Concerns and Wishes for Digital Stress Management Interventions with Value Sensitive Design: Mixed Methods Study, J Med Internet Res. doi: externe Seite 10.2196/44131
4 Kerr, J.I. et al. (2020). The effects of acute work stress and appraisal on psychobiological stress responses in a group office environment. Psychoneuroendocrinology 121, 104837. doi: externe Seite 10.1016/j.psyneuen.2020.104837