Lernen und ausstellen
Seit Januar 2014 hat der Ausstellungsbereich des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) eine neue Co-Leitung. Niels Olsen und Fredi Fischli wollen frischen Wind in die ETH-Ausstellungslandschaft bringen. Was sie darunter verstehen, zeigen sie in ihrer ersten Ausstellung «The Walk», die heute eröffnet wird.
Das Erste, was an den neuen Leitern der gta Ausstellungen auff?llt: Sie sind jung, sehr jung. Der 27-j?hrige Fredi Fischli und der 24-j?hrige Niels Olsen sehen ihre neue Stelle als eine einmalige Chance. ?Man traut uns zu, dass wir die vielschichtigen Themen des gta vermitteln k?nnen und l?sst uns bei der Umsetzung freie Hand?, sagt Fischli mit sichtlicher Begeisterung. Doch die beiden Newcomer sind durchaus alte Hasen, wenn es darum geht, komplexe Inhalte in ansprechende Ausstellungen zu verpacken. Schon als Studierende experimentierten sie mit neuen Ausstellungsformen, wenn auch zuerst noch im privaten Rahmen. W?hrend andere wissenschaftliche Abhandlungen schrieben, waren sie fasziniert von der Idee, Wissen wortw?rtlich zur Schau zu stellen. W?hrend ihrem Kunstgeschichtsstudium an den Universit?ten Zürich und Basel gründeten sie ?Studiolo?. Das private Atelierhaus der Bildhauerin Marianne Olsen, der Grossmutter von Niels Olsen, funktionierten sie dabei in einen ?ffentlichen Raum um, in dem abstraktes Wissen direkt mit den ausgestellten Objekten korrespondiert und so anders reflektiert werden kann. Für ihre kuratorischen Arbeiten erhielten sie unter anderem das F?rderstipendiat von Kurator, der Gebert Stiftung für Kultur in Rapperswil.
Fundgrube ETH
Natürlich sind sich die Co-Leiter bewusst, dass sie in grosse Fussstapfen treten. ?ber 25 Jahre hat Philippe Carrard den Bereich geleitet. Ihm ist es zu verdanken, dass die gta Ausstellungen einen ausgezeichneten Ruf geniessen. ?Philippe hat uns – obwohl wir aus einer anderen Generation stammen und einen anderen Hintergrund haben – stark dabei geholfen, seine Nachfolge anzutreten?, sagt Olsen und spricht damit eine der augenf?lligsten Neuerung an: Weder er noch Fischli sind Architekten – augenzwinkernd gestehen sie deshalb ein, mit Pl?nen oder Modellen nicht so viel anfangen zu k?nnen. Aber es erm?glicht ihnen einen anderen Zugang zu den Themen des gta. Fischli formuliert es so: ?Wir fragen uns immer wieder: Wie k?nnen wir die Architektur erfahrbar, wie die unterschiedlichen Diskurse innerhalb der Architektur sichtbar machen??
Fischli und Olsen verstehen sich deshalb als Lernende und m?chten so auch ihre Ausstellungen konzipieren: ?Wir sind von etwas fasziniert und m?chten es verstehen. Dieser Lernprozess wird dann Teil der Ausstellung, denn wir finden es spannender, die Besuchenden auf unsere Suche mitzunehmen, als ihnen auf Schautafeln die Welt zu erkl?ren?, betont Olsen. Das Departement Architektur mit seinen zahlreichen Professuren, Projekten und Studierenden ist eine wahre Fundgrube für die Ausstellungsmacher. ?Hier wird so viel interessantes Wissen produziert, dass wir nur noch aufspüren müssen, welches die aktuellen Fragen sind, mit denen sich Forschende besch?ftigen, und schon haben wir eine spannende Idee für ein neues Projekt?, fasst Fischli zusammen. Damit macht er klar, dass sie die gta Ausstellungen künftig viel n?her an die Forschung und insbesondere die Lehre des Departements Architektur anbinden m?chten.
Unterirdische Ausstellung erwandern
T?nt gut, aber was heisst das konkret? Das zeigen die neuen Ausstellungsleiter gleich in ihrem ersten Projekt ?The Walk?. Ausgangspunkt dafür ist ein Studierendenprojekt des gta. Philipp Ursprung, ETH-Professor für Architektur und Kunstgeschichte, war mit seinen Studierenden und solchen der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe im Oktober 2012 in Italien. Ursprung schickte die Studierenden bewusst auf Spazierg?nge und vermittelte ihnen damit das Konzept der ?Spaziergangwissenschaften?, das der Soziologe Lucius Burckhardt, der in den 1960er und 70er Jahre an der ETH Zürich dozierte, formuliert hatte. Die Studierenden sollten die soziale Struktur von Neapel – auch ihre zwielichtigen, mafi?sen Gegenden – und die Gegens?tzlichkeit zwischen ?ffentlichem und privatem Raum wahrnehmen und fotografisch festhalten.
Für Fischli und Olsen w?re es jedoch zu einfach gewesen, die Resultate dieser Forschungsexkursion in einer klassischen Fotoausstellung zu pr?sentieren. Sie schickten die Studierenden gleich nochmals in den Untergrund, dieses Mal aber nicht metaphorisch, sondern konkret in den unterirdischen Irrgarten auf dem H?nggerberg. Dort sollten die Studierenden Orte für die Fotografien finden, die mit ihren Eindrücken aus Neapel zusammenpassen. Entstanden ist so eine Ausstellung in den Kellern der ETH-Geb?ude, die von den Besuchern erwandert werden muss. Wer sich anmeldet, begibt sich auf den rund einstündigen ?Walk? und erlebt hautnah, was ETH-Studierende auf ihrer Forschungsexkursion entdeckt haben.
?Natürlich war die Idee ein Wagnis, weil wir nicht wussten, wie die ETH als Institution darauf reagiert. Aber wir sind begeistert, wie gut das Experiment aufgenommen wird und welche Auswirkungen es bereits hat?, berichtet Olsen. So haben die Studierenden den Untergrund neu belebt. Viele Projektbeteiligte – und sp?ter auch die Besucher – sehen die ETH erstmals von einer ganz anderen Seite, und der Hausdienst war nicht nur eine grosse Hilfe bei der Vorbereitung, sondern ist unterdessen interaktiver Bestandteil der Ausstellung. Zweifelsohne bringen die neuen gta Ausstellungsleiter Olsen und Fischli mit ihrem ersten Projekt frischen Wind in den ETH-Ausstellungsbereich und sie sprühen vor weiteren Ideen. Man darf auf ihre n?chsten Projekte gespannt sein.
The Walk
Die gta Ausstellung ?The Walk? ist von Donnerstag, 20. Februar 2014 bis Freitag den 11. April, Mo-Fr 9-22, ge?ffnet. Der Besuch der Ausstellung ist nur mit pers?nlicher Führung m?glich. Anmeldung unter: . Ausgangspunkt des Spaziergangs ist das Architekturfoyer im HIL-Geb?ude, H?nggerberg, ETH Zürich. Weitere Informationen unter: gta.