Bühnen frei für die Architektur

F¨¹r das Herbstprogramm der gta Ausstellungen werden Ihre Studierenden eine B¨¹hne entwerfen und bauen. Ziemlich ungew?hnlich f¨¹r Architekturstudenten¡­
Die B¨¹hne, oder genauer gesagt die vier B¨¹hnen, sind Teil des neuen von Niels Olsen und Fredi Fischli initiierten gta-Ausstellungsprogramms, welches die Darstellung von Architektur ¨¹ber den Ausstellungsraum und ¨¹ber die fachlichen Grenzen hinaus direkt ins Herz des Departements tr?gt. Dadurch, dass wir die B¨¹hnen mit den Studierenden des zweiten Studienjahrs bauen, geh?rt die Ausstellung letztendlich allen Studierenden.

Was wird auf dieser B¨¹hne passieren? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der B¨¹hne und dem, was darauf passiert?
Die B¨¹hnen k?nnten als vier Bauten gesehen werden, die von Studierenden geschaffen wurden. Sie k?nnten aber auch viel allgemeiner f¨¹r das gesamte Departement Architektur stehen. So oder so sind die B¨¹hnen der Ort, an dem unsere Disziplin ausgelebt wird: ?hnlich wie wir das tagt?glich in den Studios, im H?rsaal, in Werkst?tten und Cafeterias, aber auch bei Veranstaltungen wie Ausstellungen, Gespr?chsrunden und Seminaren machen. Die Kuratoren haben ein Veranstaltungsprogramm auf die Beine gestellt, aber bereits eine Woche vor der Er?ffnung fragen Interessierte an, die gerne ihr eigenes Programm zeigen m?chten. Wir hoffen auch, dass die Menschen die B¨¹hnen spontan nutzen, um auf dem Dach zu Mittag zu essen oder Leute zu treffen, so dass die B¨¹hnen Teil der sozialen Infrastruktur unseres Departements werden.

Und was passiert mit den B¨¹hnen nach der Ausstellung?
Nach den geplanten Ausstellungen werden die B¨¹hnen f¨¹r k¨¹nftige Ausstellungen weitergenutzt. Vielleicht werden Anbauten erfolgen, Teile entfernt oder das Design ver?ndert. Wir wissen es nicht genau. Aber die Idee ist, dass die Ausstellungen keine in sich geschlossenen Einheiten bilden, die kommen und ¨C ohne eine Spur zu hinterlassen ¨C wieder verschwinden, sondern dass sie eine Kontinuit?t im Departement herstellen

?Atlas? gibt auch einen ?berblick ¨¹ber die gesammelten Arbeiten der Studierenden aus Ihrem Studio. Gibt es eine Arbeit, die Ihnen besonders gef?llt? Und wenn ja, warum?
Diese Frage ist unfair. Ich mag alle Arbeiten, wenn auch aus unterschiedlichen Gr¨¹nden. Ausserdem haben wir noch viel mehr Projekte gemacht, die ich ebenfalls mag, die hier aber nicht gezeigt werden k?nnen. ?96 H?nde? sticht vielleicht heraus, da es das erste Projekt war. Wir hatten keine Ahnung, wie es ausgehen w¨¹rde, und wie unsere Studierenden zusammenarbeiten w¨¹rden. Das Risiko war hoch, aber die Studierenden waren grossartig und haben uns das Selbstvertrauen gegeben, noch weitere ambitionierte Projekte in Angriff zu nehmen.

Sie beziehen Ihre Studierenden immer direkt in Ihre Projekte mit ein. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Es ist immer schwierig, mit einer riesigen Gruppe von Menschen ¨C es waren zwischen 40 und 60 ¨C zusammenzuarbeiten. Das bedeutet viel Intelligenz und Kreativit?t, aber auch Wettbewerb und Rivalit?ten. Der Trick ist, all diese Qualit?ten f¨¹r ein grosses Ganzes zu nutzen. Manchmal fliegen die Fetzen, weil einige frustriert sind, dass man ihnen nicht zuh?rt oder weil sie das Gef¨¹hl haben, dass ihre Idee besser ist als die der Gruppe. Aber ich bin immer wieder erstaunt, was Menschen zu schaffen f?hig sind, wenn sie wirklich zusammenarbeiten. Sie k?nnen die schwierigsten konzeptuellen und kreativen Probleme l?sen und daneben noch die kleinen Stolpersteine aus dem Weg r?umen, die immer wieder auftauchen k?nnen. Dabei lernen meine Studierenden Dinge, die ich in einem konventionellen Unterrichtsumfeld nie vermitteln k?nnte. Wenn es funktioniert, ist das sehr inspirierend.

In Ihren Arbeiten thematisieren Sie die Wiederverwendung auf ganz unterschiedliche Art. F¨¹r die meisten Menschen bedeutet Architektur aber, neue Dinge zu bauen. Was fasziniert Sie an der Idee der Wiederverwendung?
Ich denke, das ist eine fundamentale Frage unserer Zeit. Die Idee, dass Architektur f¨¹r neue Geb?ude steht, ist ziemlich altmodisch. Bei den in der Ausstellung gezeigten Arbeiten w¨¹rde ich behaupten, dass die Wiederverwendung unsere neue und einzige Realit?t ist. Die Idee, dass Architektur unabh?ngig von anderen Dingen, von der Geschichte, dem Ort und der Kultur erschaffen werden kann, ist Teil der Hybris des nun hundert Jahre alten Modernismus. Es ist eine Denkweise, die zur ¨¹beraus sch?dlichen Trennung zwischen Natur und Kultur gef¨¹hrt hat. Um den dr?ngenden Problemen der modernen Welt zu begegnen, etwa indem wir die nat¨¹rlichen und wirtschaftlichen Ressourcen verantwortungsvoller nutzen und verteilen, m¨¹ssen wir zuallererst anerkennen, dass wir alle Teil der Natur sind. Jedes St¨¹ck Land wurde irgendwann schon einmal eingenommen, ob durch die Landwirtschaft oder st?dtische Siedlungen. Wenn wir behaupten, wir w¨¹rden etwas Neues schaffen, dann leugnen wir diese grundlegende Beziehung zu dem, was bereits besteht.

Und welches wiederverwendete ?Material? gef?llt Ihnen am besten?
Vielleicht das Wetter. Das haben wir sicherlich am meisten vernachl?ssigt.

Zur Person

Tom Emerson wurde 1970 in Frankreich geboren und studierte an der Universit?t von Bath, dem Royal College of Art in London und der Universit?t von Cambridge. Die Professur Tom Emerson ist seit 2010 in das Departe?ment Architektur der ETH Z¨¹rich eingegliedert. Das Studio setzt einen Schwerpunkt auf die Wiederverwendung von Materialien, Bauten und Wissen sowie auf narrative Ele?mente der Geschichtsschreibung.