Digitale Zähne nach natürlichem Vorbild

In den vergangenen Jahren haben Computerforscherinnen und -forscher ausgekl¨¹gelte bildbasierte digitale Rekonstruktionen f¨¹r die Gesichter von Menschen entwickelt. Mit solchen Methoden lassen sich ein Gesicht oder Teile davon wie Haare, Lider oder Augen in hohem Detailgrad erfassen und digital abbilden. Ein wesentlicher Teil des Gesichts wurde bis anhin jedoch stiefm¨¹tterlich behandelt: der Mund und insbesondere die Z?hne. Bildbasierte Ans?tze, mit denen letztere m?glichst nat¨¹rlich dargestellt werden k?nnen, stecken in den Kinderschuhen. Um einem Gesicht einen lebensechten Ausdruck zu verleihen, ist es allerdings wesentlich, die Z?hne naturgetreu abzubilden. Bis anhin griffen Forschende dazu auf handgefertigte Zahnreihenmodelle aus Gips zur¨¹ck.

Eine Gruppe von Forschenden um Chenglei Wu, Postdoktorand am Computer Graphics Lab der ETH Z¨¹rich, dem Max-Planck Institut in Saarbr¨¹cken und sowie Disney Research haben nun eine Software entwickelt, mit welcher sie nicht-invasiv Zahnreihen und Gebisse rekonstruieren k?nnen. Dieses Programm stellten die Computerwissenschaftler an der SIGGRAPH Asia 2016 in Macao, China, vor.

Digitalfoto statt Gips

F¨¹r eine solch detaillierte digitale Rekonstruktion sind lediglich Digitalfotos n?tig, auf denen das Gesicht einer Person zu sehen ist. Selbst Z?hne, die teilweise oder ganz verdeckt sind, sowie die Zahnwurzeln kann das Programm vollst?ndig rekonstruieren.

Als Grundlage f¨¹r Rekonstruktionen k?nnen Wu und seine Kollegen ausserdem auch kurze mit dem Smartphone aufgenommene Videos von Gesichtern verwenden. Der neue Ansatz l?sst sich dar¨¹ber hinaus in bestehende Methoden zur Erfassung von Gesichtern mit photogrammetrischen Messkameras integrieren.

Als Erstes mussten die Forscher dem Programm die Grundz¨¹ge von Zahnstellungen, -formen und -reihen beibringen, indem sie dieses mit hochaufgel?sten 3D-Scans von M¨¹ndern und Gebissen f¨¹tterten. Anhand dieser Daten ?lernte? das Programm Gebisse zu erkennen, Z?hne einzusch?tzen und die fehlenden auf den Vorlagen nicht zu erkennender Teile sowie die Zahnstellung zu berechnen. Die Software berechnet dar¨¹ber hinaus auch die Verf?rbungen der Z?hne und die Farbe des Zahnfleisches. Daraus resultieren digitale Zahn- und Gebissrekonstruktionen, die sehr nat¨¹rlich wirken.

Begeisterte Zahnmediziner

?Dieser Ansatz er?ffnet neue Wege zu individuellen Zahnrekonstruktionen in hoher Qualit?t?, sagt Projektkoordinator Thabo Beeler von Disney Research. Verwendet werden k?nnte die neue Methode etwa f¨¹r die Unterhaltungsindustrie, wo dieses Verfahren problemlos in bestehende photogrammetrische Systeme aus mehreren Kameras zur Gesichtserfassung integriert werden kann.

Aber auch Zahnmediziner sind daran interessiert. Sie m?chten eine m?glichst einfache Methode, mit der sie Z?hne von Patienten m?glichst nat¨¹rlich digital rekonstruieren k?nnen, um beispielsweise einem Patienten einen visuellen Eindruck von Ersatzz?hnen zu vermitteln. ?Wir haben von Zahnmedizinern begeisterte R¨¹ckmeldungen erhalten?, so Beeler. ?Das zeigt, dass wir diese Methode nicht nur f¨¹r digitale Charakteren in Filmen oder Games brauchen k?nnen, sondern auch f¨¹r eine Anwendung in der realen Welt.?

Um digitale dreidimensionale Gebissmodelle zu erstellen, setzen Zahnmediziner derzeit spezielle Scanner ein, mit denen sie die Mundh?hle und die Z?hne eines Patienten erfassen. Beide Prozeduren sind umst?ndlich, der Scanner ist zudem teuer und f¨¹r die Patienten unangenehm, m¨¹ssen sie doch den Mund w?hrend des Scannens die ganze Zeit aufsperren. Dank der ETH-Software r¨¹cken digitale Zahnrekonstruktionen f¨¹r den Alltagsgebrauch in Griffweite, ohne dass dazu teure und spezielle Ger?te ben?tigt werden.