Auf der Suche nach dem Ursprung des Süsswassers im Ozean
Die dritte und letzte Etappe der Antarktis-Umrundung führt zu entlegenen Eilanden und durch ein F?rderband aus Eisbergen, bevor die Expedition ihren Zielhafen Kapstadt anpeilt. Alex Haumann berichtet über seine Eindrücke, den ver?nderten Wasserkreislauf und dessen Rolle für das Klima der Erde.
Der Südliche Ozean ist eine der unberührtesten Regionen der Erde und gilt als Lunge unseres Klimasystems. Hier steigen gewaltige Mengen von Wasser aus der Tiefe an die Oberfl?che auf, wo sie Kohlenstoffdioxid und W?rme aus der Atmosph?re aufnehmen, bevor sie wieder absinken. Ohne diesen Austausch w?re die menschgemachte globale Erw?rmung wesentlich st?rker.
Ein Ziel der Expedition ist, diese wichtigen Prozesse besser zu verstehen. Dafür sammeln wir w?hrend unserer Reise Wasserproben aus dem Meer, der Atmosph?re und dem Eis — eine Aufgabe, die bei den rauen und sich st?ndig ?ndernden Bedingungen nicht ganz einfach ist.
Stürmische See am Ende der Welt
Auch auf der dritten Teilstrecke befinden sich fast 60 Wissenschaftler an Bord, die an 22 Forschungsprojekten arbeiten. Schnell wird dem Neuling klar, dass so viele verschiedene Interessen zu einem Durcheinander führen k?nnen. Um Messungen für unser Projekt durchzuführen, muss ich oft Stunden lang durch das Schiff laufen und den n?chsten Stopp aushandeln, an dem wir die Instrumente ins Wasser lassen k?nnen.
In den ersten Tagen sind es jedoch nicht Interessenskonflikte, die unseren akribisch ausgearbeiteten Messplan über die Reling werfen, sondern schlicht das schlechte Wetter. Die bis zu acht Meter hohen Wellen erlauben es nicht, die tonnenschwere Rosette mit den Instrumenten und Flaschen in die Tiefe hinab zu lassen. W?hrend die Ozeanographen anf?nglich also nur selten messen k?nnen, haben die Atmosph?renforscher alle H?nde voll zu tun, ihre Regen- und Schneeproben zu sammeln (siehe dazu auch diese Beitr?ge von Etappe 1 und Etappe 2).
Dem Süsswasser auf der Spur
Unser erster Halt nach einigen stürmischen Tagen ist die Insel Südgeorgien. Als ich aufwache hat die Akademik Treshnikov aufgeh?rt zu schwanken, der Schiffsmotor ist verstummt. Ein Blick aus dem Bullauge meiner Kajüte offenbart einen glatten Wasserspiegel, Berggipfel und tiefblauen Himmel. Ganz unterwartet ist der Sturm nach Süden gezogen. Wir liegen in der Bucht bei King Edward Point vor Anker.
Ich begleite meinen Kollegen Pascal Graf (siehe seinen Beitrag) auf die Insel, um Wasserproben aus Seen zu sammeln. Im Grunde suchen wir beide das gleiche — den Ursprung des Wassers. W?hrend die ETH-Forschungsgruppe um Professor Heini Wernli am atmosph?rischen Transport des Wassers interessiert ist, sucht das EPFL-Projekt, an dem ich beteiligt bin, nach dem Ursprung des Süsswassers, das den Salzgehalt des Südlichen Ozeans bestimmt. Dafür messen wir die Sauerstoffisotope im Wasser, die uns als eine Art Fingerabdruck dienen: Wenn wir unsere Meerwasserproben mit jenen Proben vergleichen, die Pascal Graf und ich auf der Insel gesammelt haben, k?nnen wir ermitteln, wie viel Süsswasser aus Regen und Schnee ins Meer gelangt.
Bei den wandernden Eisbergen
Wir verlassen Südgeorgien in südlicher Richtung und steuern die Südlichen Sandwichinseln an. Schon bald sind wir von Eisbergen umgeben soweit das Auge reicht: Wir befinden uns auf der Haupt-Eisbergroute. Manche sind so gross, dass man ein ganzes Dorf darauf bauen k?nnte. Sie driften über hunderte von Kilometern entlang der Antarktischen Halbinsel nach Norden, wo sie auf den Zirkumpolarstrom treffen. Dieser transportiert die Eisberge wie ein F?rderband ostw?rts, w?hrend dem sie langsam schmelzen.
An einem besonders grossen Exemplar h?lt der Eisbrecher an. Einige Forschende fliegen mit dem Helikopter auf den Berg und bringen uns Eisproben zurück. Auch diese werden wir mit den Meerwasserproben vergleichen, um den Beitrag des Schmelzwassers zur Versüssung des Meeres zu bestimmen.
Allm?hlich verlassen wir die polaren Gew?sser nordw?rts, passieren die einsame Insel Bouvet und halten Kurs auf Kapstadt. Noch melden unsere Messinstrumente keine Erw?rmung des Wassers, was wohl auch am langsam einziehenden Winter liegt. Dieser zeigt sich auch an der grossen Anzahl Buckelwale, die nun ebenfalls nach Norden ziehen und uns mit ihren Wasserfont?nen und riesigen Schwanzflossen auf den letzten Expeditionstagen begleiten.
Ver?nderter Wasserkreislauf versüsst Südpolarmeer
Hinter uns lassen wir den gigantischen Meereisteppich, der sich jeden Winter über grosse Teile des Südlichen Ozeans ausbreitet und nun schon wieder zu wachsen beginnt. Meereis bildet sich aus gefrierendem Meerwasser, wobei das im Wasser gel?ste Salz ausf?llt und im Meer zurückbleibt. Das macht das Wasser salziger. Umgekehrt gelangt beim Schmelzen des Eises Süsswasser in den Ozean, sodass sich dessen Salzgehalt verringert.
So ist das Meereis neben dem Niederschlag und dem Schmelzwasser der Eisberge die dritte Süsswasserquelle in dieser Region. In einer früheren Studie konnten wir mit Hilfe von Satellitendaten zeigen, dass ein verst?rkter nordw?rts Transport von Meereis den Salzgehalt im Südlichen Ozean über die letzten Jahrzehnte gesenkt hat (siehe ETH-News). Nun wollen wir diese Theorie mit den über 1000 gesammelten Wasserproben weiter untermauern.
Der sinkende Salzgehalt ver?ndert die Dichteschichtung des Wassers und k?nnte für das Klima der Erde bedeutend sein: Weniger salziges Wasser ist leichter als salziges und schwimmt wie ein Deckel oben auf. Das verhindert, dass sehr kohlenstoffhaltiges und w?rmeres Wasser aus der Tiefe aufquellt, und führt so an der oberen Wasserschicht zu einer verst?rkten Aufnahme von Kohlenstoffdioxid und W?rme aus der Atmosph?re, welche dann mit dem Wasser in tiefere Schichten transportiert werden.
Was bleibt
Wie stark die Ver?nderungen von Meereis, Niederschlag und Eisbergschmelze zum sinkenden Salzgehalt im Südlichen Ozean beitragen, und ob sich die viele harte Arbeit auf dem Schiff gelohnt hat, werden wir erst in ein paar Monaten feststellen, wenn alle Proben im Labor analysiert und ausgewertet sind.
Doch bereits jetzt steht fest: Die ACE-Expedition kehrt mit einem riesigen Fundus an Daten aus dem Ozean, der Atmosph?re, dem Eis und dem ?kosystem zurück, was in den kommenden Jahren zu wichtigen Erkenntnissen über diese noch so unbekannte Region führen wird. Uns Teilnehmenden bleibt eine Fülle an unvergesslichen Eindrücken von dieser wunderbar bizarren Gegend, die so weit entfernt und doch so bedeutend für das Klima der Erde ist.
H?ren und lesen Sie das externe Seite Interview mit Alex Haumann auf SRF.
Serie zur Expedition rund um die Antarktis
Die Forschenden der Antarctic Circumpolar Expedition (ACE) des Swiss Polar Institute (SPI) haben ihren Zielhafen Kapstadt, Südafrika, erreicht. Mit der dritten Etappe der Umrundung ist nun auch die Expedition abgeschlossen. Die ETH-Forschenden an Bord berichteten in insgesamt fünf losen Beitr?gen im Zukunftsblog von ihren Experimenten und Erfahrungen:
- Pascal Graf: Unterwegs in den südlichen Ozean
- Iris Thurnherr: Widriger Wind auf der ?le de la Possession
- Gregory De Souza: Reise zum Anfang der Nahrungskette
- Iris Thurnherr: Alltag auf einer ungew?hnlichen Forschungsreise
- Alex Haumann: Auf der Suche nach dem Ursprung des Süsswassers
Weitere Informationen finden Sie unter externe Seite Swiss Polar Institute, externe Seite ACE Facebook , externe Seite ACE Twitter, externe Seite Schiff-Tracker.