Künstliche Magnetfelder für Photonen

Lichtteilchen reagieren normalerweise nicht auf Magnetfelder. ETH-Forscher haben jetzt gezeigt, wie man Photonen dennoch mit elektrischen und magnetischen Feldern beeinflussen kann. In Zukunft k?nnten mit dieser Methode starke künstliche Magnetfelder für Photonen erzeugt werden.

Vergr?sserte Ansicht: Symbolbild Wie Photonen doch von Magnetfeldern beeinflusst werden können
Photonen sind eigentlich unempfindlich gegenüber Magnetfeldern. Wenn sie sich in bestimmten Festk?rpern bewegen, k?nnen sie jedoch mit elektrischen und magnetischen Feldern beeinflusst werden. (Grafik: Colourbox / Montage Josef Kuster)

In der modernen Informationstechnologie gibt es eine recht klare Arbeitsteilung zwischen Lichtteilchen (Photonen), mit denen man Daten schnell und zuverl?ssig über weite Distanzen übertr?gt, und Elektronen, die in den Computerchips die Datenverarbeitung übernehmen. Dass man Photonen nicht für die Datenverarbeitung verwendet, liegt unter anderem daran, dass sie sich nicht so leicht steuern lassen wie Elektronen. Da sie keine elektrische Ladung besitzen, kann man sie nicht ohne Weiteres mithilfe von elektrischen oder magnetischen Feldern kontrollieren. ETH-Forschende um Ata? Imamo?lu, Professor am Institut für Quantenelektronik, haben nun in einem Experiment gezeigt, wie man künstliche Magnetfelder erzeugen und so über Umwege Photonen dennoch steuern kann.

Polaritonen als Marschgep?ck

Zwar ist es unm?glich, Photonen eine tats?chliche elektrische Ladung zu geben, doch man kann ihnen gewissermassen vorgaukeln, sie h?tten eine. Seit einigen Jahren beispielsweise entwickeln Forscher Materialien, deren optische Eigenschaften w?hrend der Herstellung derart gestaltet werden, dass sich die Photonen darin so bewegen, als ?fühlten? sie ein elektrisches oder magnetisches Feld. Der Nachteil dieser Technik besteht allerdings darin, dass man die so herbeigeführten künstlichen Felder nicht oder zumindest nicht sehr schnell ver?ndern kann. Genau dies w?re aber n?tig, wenn man mit Photonen etwa Computer oder andere Bauteile in der Informationstechnik konstruieren will.

?Unser Ansatz beruht nicht auf einer ausgefeilten Struktur des optischen Materials?, erkl?rt Emre Togan, Oberassistent in Imamo?lus Forschungsgruppe, ?sondern auf der Nutzung sogenannter Polaritonen.? Wenn Photonen in ein Material eindringen, dessen Elektronen sich von den Lichtwellen verschieben oder ?polarisieren? lassen (ein sogenanntes dielektrisches Material), so bilden sie Polaritonen, also aneinander gekoppelte Licht- und Polarisierungswellen. Letztere sind auch als Exzitonen bekannt, in denen ein Elektron und ein ?Loch?, also ein fehlendes Elektron in der Energiestruktur, durch die elektrische Anziehungskraft aneinander gebunden sind.

Photonen, die sich im Vakuum frei ausbreiten würden, werden in Polaritonen umgewandelt und ziehen die Exzitonen gleichsam hinter sich her, wenn sie sich in dem Halbleiter fortbewegen. Die eigentlich gegenüber elektromagnetischen Feldern unempfindlichen Photonen k?nnen nun über dieses Marschgep?ck indirekt beeinflusst werden, indem man das von Imamo?lu verwendete Halbleitermaterial elektrischen und magnetischen Feldern aussetzt.

Konstantes Eichpotenzial

?Der kombinierte Effekt der elektrischen und magnetischen Felder auf die Polaritonen führt dann zu einem sogenannten Eichpotenzial?, fasst Hyang-Tag Lim zusammen, der in Imamo?lus Labor als Postdoktorand arbeitet. Vergleichbar ist ein solches Eichpotenzial mit einer kippbaren Hebebühne. Stellt man ein Fahrzeug auf eine solche Bühne und f?hrt diese hoch, so ?ndert sich die potenzielle (also H?hen-) Energie des Fahrzeugs, wegrollen wird es aber nicht. Erst wenn man die Bühne kippt und so einen H?henunterschied entlang der Bühne erzeugt, wird das Fahrzeug sich bewegen. Auf ?hnliche Weise bildet ein Eichpotenzial erst dann ein effektives magnetisches Feld, wenn es sich r?umlich ?ndert.

In ihrem jetzt, in der Fachzeitschrift Nature Communications, ver?ffentlichten Experiment ist es Imamo?lu und seinen Mitarbeitern in einem ersten Schritt gelungen, ein konstantes Eichpotenzial für die Photonen zu erzeugen. Um dieses Potenzial nachzuweisen, bauten die Forscher einen Miniatur-Interferometer. In einem Interferometer spaltet man dazu Licht zun?chst in zwei Strahlen auf, die sich dann zum Beispiel in unterschiedlichen Materialien ausbreiten. Danach werden die Strahlen wieder zusammengeführt, und die daraus resultierende Interferenz – dass sich also Wellenberge und -t?ler gegenseitig ausl?schen, zwei aufeinandertreffende Wellenberge sich aber verst?rken – wird am Ausgang des Interferometers gemessen.   

Aus dem so entstandenen Interferenzmuster konnten die Physiker schliessen, dass auf die Photonen im Halbleitermaterial tats?chlich ein Eichpotenzial wirkte. ?Das Sch?ne daran ist, dass wir dieses Eichpotenzial mithilfe der Felder beliebig kontrollieren k?nnen?, sagt Imamo?lu. Obwohl die ETH-Forscher Photonen in einem Halbleitermaterial benutzten, ist die Methode, die sie jetzt demonstriert haben, sehr allgemein. Sie ist auf jedes System anwendbar, in dem Photonen stark an ein polarisierbares Medium gekoppelt sind, wie etwa ein Gas aus Rydberg-Atomen. 

Demn?chst wollen die Forscher daran arbeiten, noch st?rkere Eichpotenziale zu realisieren, die r?umlich variieren und mit denen in Zukunft sehr grosse künstliche Magnetfelder für Photonen erzeugt werden k?nnten. Damit k?nnten dann mit Photonen auch Ph?nomene untersucht werden, die für gew?hnlich nur mit Elektronen unter dem Einfluss starker Magnetfelder zu beobachten sind, wie etwa der Quanten-Hall-Effekt.

Literaturhinweis

Lim HT, Togan E, Kroner M, Miguel-Sanchez J, Imamo?lu A: Electrically tunable artificial gauge potential for polaritons. Nature Communications 2017: 14540, doi: externe Seite 10.1038/ncomms14540

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