Mehr biologische Vielfalt in der Landwirtschaft
Nur wenige alte Gemüse- und Fruchtsorten aus dem enormen Agrobiodiversit?tsschatz der Schweiz haben ihren Weg zu den Grossverteilern gefunden. Dabei k?nnten diese ursprünglichen Nutzpflanzen helfen, den genetischen Flaschenhals in der Landwirtschaft zu überwinden.
Fusarium oxysporum heisst der Pilz, der die weltweit bedeutendste Bananensorte ?Cavendish? in Plantagen rund um den Globus bedroht. Gründe für den sich schnell ausbreitenden Pilzbefall sind einerseits der intensive Anbau genetisch identischer Bananen in Monokulturen, andererseits die Verschleppung von Infektionen durch den globalen Handel mit Setzlingen. Weltweit wütende Sch?dlinge und Krankheiten sind ein zunehmendes systemisches Risiko für die Landwirtschaft und gef?hrden unsere sichere Ern?hrung.
Erosion der Agrobiodiversit?t
Bei der Kulturpflanzenzüchtung unterscheidet man grob zwischen Züchtung im Feld unter lokalen vorherrschenden Umweltbedingungen und Züchtung unter standardisierten Bedingungen. Der zweite Ansatz trimmt die Kulturpflanzensorte auf maximale Leistung in einer m?glichst uniformen Umwelt. Die Sorte bringt den hohen Ertrag durch die Zufuhr externer Ressourcen wie Dünger, Pestizide und Wasser.
Die Züchtung unter standardisierten Bedingungen ist heute weit verbreitet. Sie verringert die traditionelle genetische Sortenvielfalt in der Landwirtschaft, weil sie wenige Hochleistungssorten f?rdert, die global vermarktet werden. Restriktive Rechte auf geistiges Eigentum und Methoden wie die Hybridzüchtung verhindern bei vielen Hochleistungssorten, dass die Eigenschaften der Eltern auf dem Feld eins zu eins auf die Nachkommen übertragen werden, so dass Bauern das Saatgut j?hrlich neu kaufen müssen [1]. Wenn Bauern, die bisher Samenmaterial unter den lokalen Umweltbedingungen im Feld gewonnen haben auf Hochleistungssorten umsteigen, wird der natürliche Kreislauf der Anpassung und die Erhaltung der traditionellen Sortenvielfalt unterbrochen. Dadurch erleben wir eine weltweite dramatische Erosion der Agrobiodiversit?t. [2].
Brach liegender Schatz an alten Sorten
Bei der ?traditionellen? Züchtung werden Pflanzenindividuen im Feldanbau ausgelesen, die unter den lokalen Umweltbedingungen den h?chsten Ertrag ergeben. Von diesen Eltern wird das Saatgut in der n?chsten Saison verwendet und vermehrt. So entstehen vielf?ltige Sorten, die lokal angepasst sind. Damit wird die genetische Vielfalt in den Anbausystemen erh?ht. Das macht Kulturpflanzen generell widerstandsf?higer gegen Sch?dlinge und andere Umweltfaktoren.
?ber tausende Jahre entstand auf diese Weise ein unermesslicher Schatz an Agrobiodiversit?t: Weltweit gibt es beisipielsweise über 700 Bohnensorten, und alleine in der Schweiz existieren (noch) rund 1000 verschiedene Apfelsorten. Diese regionalen Sorten, auch Landsorten genannt, bergen eine enorme genetische Vielfalt, die es ihnen erlaubt, sich rasch an neue Umwelt-faktoren anzupassen. Sie sind unsere Versicherung gegen unerwünschte Pflanzenkrankheiten, Sch?dlinge und sich ?ndernde Bedingungen.
Leider schlummert dieser wertvolle Schatz vorwiegend ungenutzt in Samenbanken oder Sorteng?rten vor sich hin. Warum? Beispiel alte Apfelsorten: Mangelnde Resistenz gegenüber dem gefürchteten Feuerbranderreger oder eine hohe Anf?lligkeit für Schorf stehen heute einer breiten Vermarkung oft im Weg, auch wenn diese Sorten bestechende Eigenschaften aufweisen wie Sp?tfrosttoleranz in H?henlagen, einen besonderen Geschmack oder Toleranz gegen Trockenheit.
M?ngel beheben mit modernen Methoden
Geht es darum, die alten Sorten attraktiver zu machen, k?nnten die neuen molekularbiologische Techniken der Genom-Editierung ins Spiel kommen: Methoden wie CrisprCas (siehe Blogbeitrag) sind viel genauer, effizienter und kostengünstiger als herk?mmliche Züchtungsverfahren, womit sie auch für Züchter ausserhalb der grossen Konzerne interessant sind. Gelingt es, diese Methoden in Züchtungsprogramme einzubinden, die auf samenfeste Sorten und lokale Anpassung fokussieren, k?nnten sie helfen, die Resistenzengp?sse bei den alten Pflanzensorten zu überwinden.
Dies geschieht etwa, indem man ein Gen, das eine bestimmte Krankheitsanf?lligkeit begünstigt, in den alten Sorten gezielt inaktiviert. Oder man nimmt das Resistenzgen einer Wildpflanze und führt es wieder in eine moderne, verwandte Sorten ein – schliesslich sind es oft genau diese Merkmale, die durch jahrzehntelange Züchtung auf hohe Leistung und Ertrag verloren gingen [3].
So liesse sich der enorme Schatz der Agrobiodiversit?t aus der reinen Erhaltungszucht der Sorteng?rten in den landwirtschaftlichen Ertragsanbau überführen.
Den genetischen Flaschenhals ?ffnen
Um das zu erreichen, braucht es mehr Züchtungsprogramme, die regional angepasste Sorten hervorbringen. Mit dem nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen für Ern?hrung und Landwirtschaft (NAP-PGREL) [4] hat die Schweiz einen ersten Schritt getan, ihre regionale Agrobiodiversit?t zu f?rdern. Daraus ergeben sich Chancen durch neue Nischenm?rkte oder in Form eines diversifizierten Ern?hrungssystems.
Der Wandel hin zu einer genetisch und biologisch vielf?ltigen Landwirtschaft k?nnte den neuen molekularbiologischen Methoden zu mehr Akzeptanz verhelfen.
Manuela Paschke hat diesen Beitrag zusammen mit externe Seite Manuela Dahinden geschrieben.
Lose Serie zur Pflanzenzüchtung
Moderne Verfahren der Molekularbiologie (Stichwort Genom-Editierung) bergen das Potenzial, die Züchtung von Kulturpflanzen effizienter zu gestalten. Damit verbunden sind gesellschaftsrelevante Fragen und Herausforderungen, die der Zukunftsblog in einer losen Serie aufgreift.
Zur Autorin
Weiterführende Information
[1] Kochupillai, Mrinalini (2016). Plant Breeding & Seed Improvement: Then & Now. In: Promoting Sustainable Innovations in Plant Varieties. Springer, Berlin – Heidelberg: 49-77.
[2] Jacobsen S., Sorensen M. & Weiner J. (2013). Feeding the world: genetically modified crops versus agricultural biodiversity. Agronomic Sustainable Development 33: 651-662.
[3] Artikel in der externe Seite TAZ
[4] Bundesamt für Landwirtschaft (1999). externe Seite Nationale Aktionsplan PGREL