Pusten statt Blutanalyse
Einmal blasen bitte. In Zukunft gilt das nicht nur für Alkoholkontrollen der Polizei, sondern auch zur ?berprüfung des Trainingsstands von Sportlerinnen und Leuten, die den Speckr?llchen den Kampf angesagt haben. Mit einem von ETH-Forschenden entwickelten Sensor k?nnen diese Personen ganz einfach per Atemanalyse messen, wann ihr K?rper beginnt, Fett zu verbrennen.
Wer überz?hlige Kilos loswerden m?chte, dem raten Experten, weniger zu essen und sich mehr zu bewegen. Ausdauertraining ist eine M?glichkeit. Der K?rper verbrennt dabei nicht nur Kohlenhydrate wie Zucker, sondern auch Fette. Wann der K?rper beginnt, Fett zu verbrennen, l?sst sich heute zum Beispiel mit der Analyse von Biomarkern im Blut oder im Urin bestimmen. Wissenschaftler der ETH Zürich und des Universit?tsspitals Zürich entwickelten nun eine Methode, mit der sich der Fettabbau ganz einfach und in Echtzeit in der Atemluft von Sporttreibenden nachweisen l?sst.
?Beim Fettabbau im K?rper entstehen Nebenprodukte, die ins Blut gelangen?, erkl?rt Andreas Güntner, Postdoc in der Gruppe von ETH-Professor Sotiris Pratsinis. In den Lungenbl?schen k?nnen diese Moleküle in die Atemluft übertreten, besonders die leichtflüchtigen unter ihnen. Das flüchtigste dieser Fettabbauprodukte ist Azeton. Güntner und seine Kollegen haben einen kleinen Gassensor entwickelt, der diesen Stoff misst. Ihr Sensor ist viel empfindlicher als bisherige Sensoren: er kann einzelne Azeton-Moleküle in hundert Millionen anderer Moleküle nachweisen. Ausserdem misst der Sensor nur Azeton und nichts anderes; die weiteren über 800 bekannten flüchtigen Komponenten in der Atemluft beeinflussen die Messung nicht.
Grosse individuelle Unterschiede
In Zusammenarbeit mit Lungenspezialisten am Universit?tsspital Zürich unter der Leitung von Malcolm Kohler, Professor und Direktor der Klinik für Pneumologie, überprüften die Wissenschaftler die Funktion des Sensors bei sporttreibenden Freiwilligen. Diese absolvierten eineinhalb Stunden Training auf einem Fahrradergometer mit zwei kurzen Pausen. In regelm?ssigen Abst?nden liessen die Forschenden die Probanden in ein R?hrchen blasen, das mit dem Azeton-Sensor verbunden war.
?Wir konnten damit zeigen, dass sich der Azeton-Ausstoss in der Atemluft von Mensch zu Mensch stark unterscheidet?, sagt Güntner. Die frühere und mittlerweile überholte Lehrmeinung besagte, dass Sportreibende erst nach einer bestimmten Trainingszeit und Herzfrequenz beginnen, Fett zu verbrennen. In den Messungen der Zürcher Wissenschaftler setzte die Fettverbrennung bei einigen Probanden tats?chlich erst gegen Ende der eineinhalbstündigen Trainingseinheit ein. Bei anderen Freiwilligen zeigten die Messungen, dass ihr K?rper schon viel früher Fett verbrennt.
Kontrollmessungen ergaben, dass die neue Messmethode gut übereinstimmt mit der Konzentration des Biomarkers Beta-Hydroxybutyrat im Blut der Probanden. Diese Blutanalyse ist eine der heutigen Standardmethoden, um den Fettabbau nachzuverfolgen.
Wechselwirkung mit Nanopartikeln
Bei dem von den Wissenschaftlern entwickelten Sensor handelt es sich um einen Chip, der mit einem por?sen Film aus speziellen halbleitenden Nanopartikeln beschichtet ist. Die Partikel bestehen aus Wolframtrioxid, das die Forschenden mit einzelnen Silizium-Atomen versetzt hatten.
Angefangen hat die Entwicklung dieses Chips vor sieben Jahren. Damals entdeckten ETH-Professor Pratsinis und seine Mitarbeiter, dass Wolframtrioxid-Nanopartikel mit Azeton wechselwirken, sofern die Atome der Nanopartikel in einer bestimmten Kristallstruktur angeordnet sind. Die Wechselwirkung verringert den elektrischen Widerstand des mit den Nanopartikeln beschichteten Chips, was messbar ist.
Ursprünglich war die Idee, den Chip zur Diagnose von Diabetes zu verwenden. Denn in der Atemluft von Patienten mit unbehandeltem Diabetes Typ 1 lassen sich hohe Azeton-Konzentration nachweisen. Mittlerweile konnten die Wissenschaftler jedoch zeigen, dass der Sensor empfindlich genug ist, um die sehr geringen Azeton-Konzentrationen im Atem von Sporttreibenden nachzuweisen.
Der in der dieser Studie verwendete Chip hat die Gr?sse eines Fünfrappen-Stücks. Die Wissenschaftler sind allerdings daran, die Messtechnik soweit zu verfeinern, dass sie auch mit deutlich kleineren Chips m?glich werden soll. Ziel ist, den Chip in ein handliches Ger?t. ?Damit k?nnen Sportler und Abnehmwillige individuell überprüfen, wann ihr K?rper beginnt, Fett zu verbrennen, um so ihr Training zu optimieren?, sagt Güntner.
Günstig, klein und dennoch hochempfindlich
Hochempfindliche Azeton-Messungen konnte man schon bisher mit anderen Messger?ten – sogenannten Massenspektrometern – machen. Dabei handelt es sich jedoch um grosse und mehrere hunderttausend Franken teure Laborger?te. Solche nutzen die Forschenden in der aktuellen Studie, um ihre Messungen zu überprüfen. Auch gibt es bereits tragbare Ger?te für die Azeton-Messung im Atem. Diese kann man jedoch nur einmal verwenden, und sie zeigen das Resultat erst nach einigen Minuten an. ?Unsere Technik hingegen hat die grossen Vorteile, dass sie günstig, handlich und dennoch hochempfindlich ist sowie ausserdem Echtzeitmessungen erm?glicht?, sagt Güntner. ?Sie eignet sich daher für den Alltagsgebrauch, fürs Training in einem Fitnesscenter oder w?hrend einer Di?t.?
Die Wissenschaftler planen nun, ihre Messmethode zur Marktreife weiterzuentwickeln. Einen Messger?t-Prototypen gibt es bereits. Zugleich sind die Wissenschaftler daran, Gassensoren für weitere medizinisch interessante Moleküle in der Atemluft zu entwickeln, darunter solche für Ammoniak, mit dem sich die Nierenfunktion überprüfen l?sst, Isopren, um den Cholesterin-Stoffwechsel zu untersuchen, und verschiedene Aldehyde für die Früherkennung von Lungenkrebs.
Literaturhinweis
Güntner AT, Sievi NA, Theodore SJ, Gulich T, Kohler M, Pratsinis SE: Noninvasive body fat burn monitoring from exhaled acetone with Si-doped WO3 sensing nanoparticles. Analytical Chemistry, 11. September 2017, doi: externe Seite 10.1021/acs.analchem.7b02843