3D-gedruckte Minifabriken

Es gibt bald nichts mehr, das nicht im 3D-Druck hergestellt werden kann. Bei den Materialien, die daf¨¹r verwendet werden, handelte es sich aber bisher um ?tote Materie? wie Kunststoffe oder Metalle.

Nun stellt eine Gruppe von ETH-Forschern um Professor Andr¨¦ Studart, Leiter des Labors f¨¹r Komplexe Materialien, eine neue 3D-Druckplattform vor, die mit lebender Materie arbeitet. Die Forscher entwickelten eine Tinte, die Bakterien enth?lt. Damit lassen sich biochemische Minifabriken mit unterschiedlichen Funktionalit?ten drucken, je nachdem, welche Bakterienarten die Forscher in der Tinte einsetzen.

Eigenschaften von Bakterien nutzen

In ihrer Arbeit verwendeten Studarts Mitarbeiter Patrick R¨¹hs und Manuel Schaffner die Bakterienarten Pseudomonas putida und Acetobacter xylinum. Die erste Art kann das giftige Phenol, das die chemische Industrie im grossen Stil produziert, abbauen. Die zweite Art sondert hochreine Nano-Zellulose ab. Die bakterielle Zellulose wirkt schmerzlindernd, h?lt feucht und ist stabil. Sie k?nnte daher bei Brandverletzungen verwendet werden.

Die neue Druckplattform der ETH-Forscher bietet zahlreiche Kombinationsm?glichkeiten. So k?nnen die Wissenschaftler in einem Durchlauf bis zu vier verschiedene Tinten mit unterschiedlichen Bakterienarten in unterschiedlichen Konzentrationen verwenden, um damit Objekte mit mehreren Funktionen herzustellen.

Die Tinte besteht aus einem biokompatiblen und strukturgebenden Hydrogel. Dieses beinhaltet Hyalurons?ure, langkettige Zuckermolek¨¹le sowie Kiesels?ure. Das N?hrmedium der Bakterien wird der Tinte beigemischt, sodass die Bakterien alles haben, um zu leben. In dieses Hydrogel k?nnen die Forscher die Bakterien mit den gew¨¹nschten Eigenschaften beimengen und schliesslich beliebige dreidimensionale Strukturen drucken.

Viskos wie Zahnpasta

Bei der Entwicklung des bakterienhaltigen Hydrogels waren dessen Fliesseigenschaften eine besondere Herausforderung. So muss die Tinte ausreichend fliessen k?nnen, damit sie sich durch die Druckd¨¹se pressen l?sst. Je fester die Tinte, desto schlechter k?nnen sich die Bakterien in ihr bewegen und desto weniger produktiv sind sie. Gleichzeitig m¨¹ssen die ausgedruckten Formen stabil genug sein, damit sie das Gewicht von weiteren Lagen tragen. ?Die Tinte muss so viskos wie Zahnpasta sein und die Konsistenz von Nivea-Handcr¨¨me haben?, fasst Schaffner das Erfolgsrezept zusammen.

Ihr neues Druckmaterial nannten die Wissenschaftler ?Flink?, was f¨¹r ?functional living ink? steht. Soeben haben sie diese Technik in der Fachzeitschrift externe Seite Science Advances vorgestellt.

Enormes Potenzial

Die Lebensdauer der gedruckten Minifabriken haben die Materialwissenschaftler noch nicht untersucht. ?Da Bakterien kaum Anspr¨¹che haben, gehen wir davon aus, dass sie sehr lange in gedruckten Strukturen ¨¹berleben k?nnen?, sch?tzt R¨¹hs.

Die Forschung steht erst am Anfang. ?Das Potenzial, mit bakterienhaltigen Hydrogels zu drucken, ist enorm, weil die Vielfalt an n¨¹tzlichen Bakterien sehr gross ist?, sagt R¨¹hs. Dass bislang kaum jemand bei additiven Verfahren mit Bakterien gearbeitet hat, f¨¹hrt er auf den schlechten Ruf der Mikroorganismen zur¨¹ck. ?Die meisten Menschen bringen Bakterien nur mit Krankheiten in Verbindung. Dabei k?nnten wir ohne sie gar nicht leben?, betont er. Die Forscher halten ihre neue Tinte zudem f¨¹r komplett unbedenklich. Die verwendeten Bakterien sind allesamt harmlos und n¨¹tzlich.

Giftstoffsensor und ?lpestfilter

Neben medizinischen und biotechnologischen Anwendungen k?nnen sich die Forscher viele weitere n¨¹tzliche Anwendungen vorstellen. So lassen sich mit solchen Objekten beispielsweise Abbauprozesse oder die Entstehung von Biofilmen untersuchen. Eine praktische Anwendung w?re ein 3D-gedruckter Sensor mit Bakterien, welcher Giftstoffe im Trinkwasser anzeigen w¨¹rde. Denkbar sind auch bakterienhaltige Filter, die bei ?lkatastrophen zum Einsatz kommen. Herausforderungen sind derzeit die lange Druckzeit und die schwierige Skalierbarkeit. Um Zellulose f¨¹r biomedizinische Anwendungen zu erzeugen, braucht Acetobacter derzeit mehrere Tage. Die Wissenschaftler sind jedoch ¨¹berzeugt, dass sie die Prozesse noch optimieren und beschleunigen k?nnen.

Die Entwicklung spezieller Materialien f¨¹r den 3D-Druck ist eine Spezialit?t der Forschungsgruppe von ETH-Professor Andr¨¦ Studart. So haben er und sein Team auch eine druckf?hige hochpor?se Tinte aus Keramik entwickelt, mit der sich sehr leichte knochenartige Strukturen f¨¹r die Energiegewinnung drucken lassen.