Roboter kooperieren im Holzbau
Forschende der ETH Zürich überführen ein neues digitales Holzbauverfahren erstmals von der Forschung in die Praxis. Die von Robotern vorfabrizierten, tragenden Holzmodule kommen in den oberen zwei Geschossen des Bauprojektes DFAB HOUSE zum Einsatz.
Die Digitalisierung hat im Holzbau Einzug gehalten: Ganze Bauelemente werden bereits heute mit computergestützten Anlagen gefertigt. Dabei wird das Rohmaterial zwar von Maschinen zugeschnitten, danach jedoch meist manuell zu einem ebenen Rahmen verbaut. Dieser Fertigungsprozess schr?nkte die geometrische Gestaltungsfreiheit bis anhin stark ein.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes (NFS) Digitale Fabrikation haben Forschende der Professur für Architektur und Digitale Fabrikation der ETH Zürich nun ein neues, digitales Holzbauverfahren entwickelt. Es erweitert die M?glichkeiten der traditionellen Holzrahmenbauweise, indem es erlaubt, geometrisch komplexe Holzmodule effizient zu realisieren. Spatial Timber Assemblies wurde in enger Zusammenarbeit mit der Erne AG Holzbau entwickelt und wird im DFAB HOUSE auf dem Forschungs- und Innovationsgeb?ude NEST der Empa und Eawag in Dübendorf erstmals eingesetzt. Gleichzeitig handelt es sich um das erste Mal, dass ein grossmasst?bliches Architekturprojekt mit den Baurobotern des neuen Robotic Fabrication Laboratorys an der ETH Zürich umgesetzt wird.
Mit robotischer Pr?zision
In einem ersten Schritt nimmt ein Roboter einen Holzbalken auf und führt ihn einer S?ge für den Zuschnitt zu. Nach einem automatisierten Werkzeugwechsel bohrt ein zweiter Roboter die erforderlichen L?cher für die Anschlüsse zu den verbindenden Balken vor. Abschliessend kooperieren die beiden Roboter und ordnen die Balken gem?ss Computerentwurf pr?zise im Raum an. Damit es beim Positionieren der einzelnen Holzbalken nicht zu Kollisionen kommt, haben die Forschenden einen Algorithmus entwickelt, der den Bewegungspfad für die Roboter anhand des Baufortschritts fortlaufend neu berechnet. Handwerker verschrauben die Balken anschliessend manuell.
Nachhaltiger und individueller bauen
Im Gegensatz zur traditionellen Holzrahmenbauweise kann bei Spatial Timber Assemblies auf Verst?rkungsplatten zur Aussteifung verzichtet werden, denn die erforderliche Steifigkeit und Tragf?higkeit resultiert aus der geometrischen Anordnung. Das spart nicht nur Material, sondern er?ffnet auch gestalterisch neue M?glichkeiten. Insgesamt sechs r?umliche, geometrisch individuelle Holzmodule werden auf diese Weise erstmals vorfabriziert. Lastwagen bringen sie dann auf die Baustelle des DFAB HOUSE auf dem NEST in Dübendorf, wo sie zu einer doppelst?ckigen Wohneinheit mit einer Fl?che von mehr als 100 m? zusammengefügt werden. Die komplexe Geometrie des Holzbaus wird dereinst hinter einer lichtdurchl?ssigen Membranfassade sichtbar bleiben.
Integrierte digitale Bauweise
Die Informationen darüber wie die Holzbalken zugeschnitten und angeordnet werden müssen, beziehen die Roboter aus einem computergestützten Gestaltungsmodell. Dieses wurde eigens ihm Rahmen des Projektes entwickelt und hat auf Basis verschiedener Eingabeparameter eine Geometrie aus insgesamt 487 Holzbalken generiert.
Dass bei Spatial Timber Assemblies nicht nur digital fabriziert, sondern auch entworfen und geplant wird, ist für Matthias Kohler, Professor für Architektur und Digitale Fabrikation an der ETH Zürich und Projektinitiant des DFAB HOUSE, ein entscheidender Vorteil: ?Ver?ndert sich etwas im Gesamtprojekt, kann das Computermodell laufend an die neuen Anforderungen angepasst werden. Diese integrierte digitale Bauweise überwindet die Distanz zwischen Entwurf, Planung und Ausführung.?
Erfolgsrezept Wissensaustausch
Bereits beim robotergebauten Holzdach des Arch_Tech_Lab auf dem 必博官网,必博体育 H?nggerberg arbeitete die ETH Zürich erfolgreich mit Erne AG Holzbau zusammen. Im Rahmen von Spatial Timber Assemblies fliesst nun erneut Holzbauwissen des Unternehmens in die ETH Forschung mit ein.
Kohler ist vom Synergieeffekt dieser Zusammenarbeit überzeugt: ?Die digitale Fabrikation ist auf das enorme Wissen, das im Handwerk steckt, angewiesen. Umgekehrt kann die Digitalisierung das Handwerk aufwerten und neue M?glichkeiten er?ffnen?. Dass die wissenschaftlichen Disziplinen Hand in Hand mit der Industrie arbeiten, sei ausserdem ausschlaggebend dafür, dass Technologien nach so kurzer Zeit bereits in die architektonische Anwendung überführt werden k?nnen, so Kohler.
DFAB HOUSE - Digital entworfen, geplant und gebaut
Acht Professuren der ETH Zürich bauen gemeinsam mit Industriepartnern das DFAB HOUSE, eine dreigeschossige Wohneinheit auf der Forschungs- und Innovationsplattform NEST der Empa und Eawag in Dübendorf. Mit der Fabrikation der ?Mesh Mould? Wand erfolgte im Mai 2017 der Startschuss für dieses weltweit erste Geb?ude, das gleich mehrere neuartige, digitalen Bauprozesse unter einem Dach vereinigen wird. Seither wurden zwei weitere, ebenfalls digital geplante und fabrizierte Geb?udekomponenten zur Produktionsreife gebracht und digital mit dem Gesamtprojekt koordiniert. Mit dem automatischen Gleitschalungs-System ?Smart Dynamic Casting? wurden an der ETH bereits individuell dem Lastfall angepasste Fassadenpfosten aus Beton für die Glasfassade des Geb?udes vorfabriziert. In Vorproduktion befindet sich zudem ein sogenannter ?Smart Slab?, eine statisch optimierte Geschossdecke aus Beton, für deren Schalung Forschende grossformatigen 3D-Sanddruck verwenden. Im Zusammenspiel mit Spatial Timber Assemblies gehen diese Elemente im DFAB HOUSE – das im Herbst 2018 er?ffnet wird – eine einzigartige Verbindung ein.