ReMaP – Einsichten in die vernetzte Energiezukunft

Wie ver?ndert sich der künftige Stromverbrauch in der Schweiz, wenn mehr Konsumenten lokale Energiespeicher nutzen? Was bedeutet das für die Netze, die Tarife und den Datenschutz? Solche vernetzten Fragen zu untersuchen, ist das Ziel der gemeinsamen Energieforschungsplattform ReMaP der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts und der Empa.

Vergr?sserte Ansicht: Die neue Energieforschungsplattform «ReMaP» der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts und der Empa trägt dazu bei, vernetzte Energiesysteme besser zu verstehen. (Bild: 123rf/Colourbox.de)
Die neue Energieforschungsplattform ?ReMaP? dient dazu, vernetzte Energiesysteme besser zu verstehen. (Bild: 123rf/Colourbox.de)  

Was wird in Zukunft wichtiger: Privatsph?re oder Kosteneffizienz? Diese Frage hat Gabriela Hug, ETH-Professorin für elektrische Energiesysteme, im Hinblick auf langfristige Ver?nderungen in der Energieversorgung untersucht. Ihr L?sungsansatz zeigt auf, wie Stromverbraucher in Zukunft einen lokalen Speicher nutzen k?nnten, um sowohl die Belastung des Stromnetzes insgesamt zu optimieren als auch um ihre eigenen Energiekosten zu senken und ihre Privatsph?re zu schützen.

Einerseits stellt die zunehmende Bedeutung von erneuerbaren Energien neue Herausforderungen an das Stromnetz. Das Netz muss stets die Strommenge liefern, die die Verbraucher tats?chlich beziehen. Mit der steigenden Stromproduktion durch Windkraft und Sonnenenergie wird es – im Vergleich zum derzeit vorherrschenden Mix aus fossilen Energietr?gern, Wasserkraft und Kernkraft – eine immer gr?ssere Herausforderung, Produktionsschwankungen auszugleichen.  

Auf der anderen Seite bieten technische Entwicklungen wie etwa Batteriespeicher oder intelligente Stromz?hler (engl. ?Smart Meter?) den Konsumenten auch die Chance, dass sie künftig Schwankungen der verfügbaren Strommenge selber ausgleichen k?nnen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass man zuhause oder in der Nachbarschaft auf einen Speicher zugreifen kann, über den sich auch dann Strom beziehen l?sst, wenn die Produktion zu gering ist – zum Beispiel, weil kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint.

Flexibler Konsument und lokale Intelligenz

Speziell im Verteilnetz, das den privaten Haushalten und Konsumenten den Strom ins Haus bringt, k?nnten digitale Ger?te dazu beitragen, die Netzbelastung zu optimieren. Digitale Smart Meters messen den Stromverbrauch regelm?ssig in kurzen zeitlichen Abst?nden. Damit liefern sie eine Datengrundlage, die künftig auch Energieverbraucher nutzen k?nnten, um ihren Stromverbrauch flexibler zu gestalten.

Besonders am Abend erreicht der Stromverbrauch jeweils eine Spitze, wenn man nach Hause kommt, das Nachtessen kocht und Ger?te wie Waschmaschine, TV oder PC benutzt. In Zukunft dürfte der Energiebedarf just in dieser Phase weiter ansteigen: dann n?mlich, wenn mehr Personen auf Elektroautos umsteigen und diese zuhause aufladen. Mit digitalen Ger?ten liesse sich der Stromverbrauch jedoch zeitlich staffeln, wodurch man die Belastungsspitzen brechen k?nnte. Wenn man abends das Elektroauto an die Ladestation anschl?sse, würde die Batterie nicht sofort geladen, sondern erst sp?ter in der Nacht.

In der Energieforschung spricht man bei staffelbaren Strombezügen von einer ?flexiblen Last? – oder vom ?flexiblen Konsumenten?. Gabriela Hug erforscht, wie man das mit ?verteilter Optimierung? und ?lokaler Intelligenz? nutzen kann. Dabei erfolgt die Entscheidung, wann und wie man Strom bezieht, zumindest teilweise lokal beim Verbraucher. ?Dank der neuen Technologien k?nnen die Konsumenten die Energie effizienter nutzen und zugleich an der Lastverteilung teilnehmen?, sagt Hug. Im Endeffekt k?nnte sich der Gesamtverbrauch so ?abflachen? und gleichm?ssiger verteilen.

Kosteneffizienz oder ?Schutz-Algorithmus??

Eine entscheidende Rolle spielen die Preise, da sie das Verhalten der Verbraucher beeinflussen: In Zukunft, sagt Hug, k?nnten die Strompreise variabler sein. Heute gibt es nur Hoch- und Niedertarife. Für die Konsumenten h?tten variablere Tarife den Vorteil, dass sie ausw?hlen und ihre Energiekosten senken k?nnten. Wer zum Beispiel den Strom aus einem Speicher bei sich zuhause bez?ge, k?nnte die Tarife optimal auszunutzen. Nur: Die Smart Meter, die das erm?glichen, haben auch Risiken.

Schliesslich k?nnen die Daten von Smart Metern oder Speichern auch das Verbraucherverhalten offenlegen: Neben Energieverbrauchsprofilen liessen sich auch Lebensstilmuster herauslesen. Dies birgt Risiken für die Privatsph?re der Verbraucher. Im Rahmen der europ?ischen Forschungsinitiative externe Seite CHIST-ERA hat ein Doktorand von Hug ein Modell entwickelt, wie sich die Privatsph?re der Verbraucher schützen l?sst und die Vorteile intelligenter Z?hler für das Stromnetz trotzdem zur Geltung kommen. Der L?sungsansatz des im Frühjahr 2019 abgeschlossenen Projekts setzt auf lokale Energiespeicher, die den überschüssigen Strom speichern.

Hugs Gruppe entwickelte einen ?Schutz-Algorithmus?, der die Verbrauchsdaten so verfremdet, dass der individuelle Energieverbrauch eines Verbrauchers geschützt ist. Im theoretischen Modell hat der Energiespeicher einen Schalter. Diesen kann ein Verbraucher selber so einstellen, dass entweder seine Privatsph?re geschützt ist – dann hat er aber nicht die volle Tariffreiheit – oder dass er die eigenen Energiekosten optimieren kann – dann sind seine Verbrauchsdaten offener nachvollziehbar. Das Beispiel zeigt, wie viele Ebenen und Abh?ngigkeiten der Wandel des Energiesystems umfasst. Wie gut das theoretische Modell des Schalters deshalb in der Praxis funktioniert, m?chte Hug nun m?glichst realistisch testen. Gleiches gilt auch für das Konzept der ?lokalen Intelligenz?.

Eine neue Plattform, die zu diesem Zweck aufgebaut wird, ist ?ReMaP? oder ?Renewable Management and Real-Time Control Platform?. Darin werden verschiedene Forschungsprojekte und -plattformen zusammengeführt. Das Ziel ist, besser zu verstehen, wie die Wechselwirkungen zwischen den Technologien zur Produktion, Umwandlung und Speicherung von Energie den Wandel des Energiesystems beeinflussen, und wie sich diese Wechselwirkungen optimieren lassen.

ReMaP – Forschungsresultate realit?tsnah prüfen

ReMaP ist eine gemeinsame Forschungsplattform der ETH Zürich, des Paul Scherrer Instituts und der Empa. Sie wurde unter der Federführung des ETH Energy Science Centers Ende 2018 lanciert und wird nun schrittweise ausgebaut. Um die Zusammenh?nge zwischen Quartierebene, Verteilnetz, Energiemanagement, Geb?uden und Mobilit?t m?glichst realit?tsnah zu erforschen, wird ReMaP mit Forschungsinfrastrukturen des PSI in Villigen und der Empa in Dübendorf verbunden. Dazu z?hlen die Energy System Integration-Plattform externe Seite ESI des PSI sowie die Energieforschungsplattform ?externe Seite ehub?, die Mobilit?tsplattform ?externe Seite move? und das Forschungs- und Innovationsgeb?ude ?externe Seite NEST? der Empa. ReMaP wird vom Bundesamt für Energie (BFE) und der ETH Foundation unterstützt. Die Plattform steht auch anderen Universit?ten, Hochschulen und der Industrie offen.

Vergr?sserte Ansicht: Auf der ReMaP-Plattform können Studierende, Forschende und Industriepartner komplexe Zusammenänge des Energiesystems realitätsnah überprüfen. (Grafik: ETH Zürich / Energy Science Center)
Auf der ReMaP-Plattform k?nnen Studierende, Forschende und Industrie komplexe Zusammen?nge des Energiesystems untersuchen. (Grafik: Energy Science Center)

?Die Vernetzung der Plattformen dient dazu, dass man innovative Ans?tze in einer realit?tsnahen Testumgebung überprüfen und so die Umsetzung im realen Netz unterstützen kann?, sagt Hug, die die projektverantwortliche Forscherin bei ReMaP ist. Der ?Speicher mit Schalter? liesse sich zum Beispiel im NEST testen und mit Daten über Netzschwankungen aus der ESI-Plattform verknüpfen.

?ReMaP stellt die Brücke zwischen Forschung und industrieller Anwendung her – und das in dem für die Schweiz so wichtigen Energiemarkt?, sagt Detlef Günther, ETH-Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, ?umso mehr freut es mich, dass die Energieforschenden der ETH, des PSI und der Empa diese Aufgabe gemeinsam angehen.? Für Günther zeigt ReMaP die St?rke des ETH-Bereichs: ?Nur durch komplement?re Investitionen und Anstrengungen k?nnen wir einen signifikanten Beitrag zu diesem überaus wichtigen Thema leisten.?

ReMaP Launch Event

Die ReMaP-Plattform ist am 5. Juni 2019 an einem Launch Event an der ETH Zurich der Schweizer Industrie und zukünftigen Partnern und Benutzern vorgestellt worden.

Als Redner traten auf:

  • Detlef Günther, Vizepr?sident für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, ETH Zürich
  • Peter Richner, Stellvertretender Direktor Empa und Leiter Forschungsschwerpunkt ?Energie?
  • Peter Jansohn, Leiter ESI Plattform, PSI
  • Christian Dürr, Gesch?ftsführer, Wasser- und Elektrizit?tswerk Walenstadt
  • Romeo Deplazes, Bereichsleiter L?sungen, Energie360°

Literaturhinweis

Chin, J. X., Tinoco De Rubira T., Hug, G.: Privacy Protecting Energy Management Unit through Model-Distribution Predictive Control. Special Issue on Distributed Control and Efficient Optimization Methods for Smart Grid, IEEE Transactions on Smart Grids, Vol. 8, No. 6, pp. 3084 – 3093, 2017, doi: externe Seite 10.1109/TSG.2017.2703158  

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