Verwitternde Steine kühlten die Erde
Vor 15 Millionen Jahren setzte eine langanhaltende Abkühlung des Erdklimas ein, die in ein Eiszeitalter mündete. Ein Forscherteam findet nun neue Hinweise darauf, was diese Abkühlung eingeleitet und angetrieben hat.
Vor 15 Millionen Jahren begann sich das Erdklima langsam und kontinuierlich abzukühlen. Gleichzeitig wuchs der Antarktische Eisschild. Vor etwa 2,5 Millionen Jahren schliesslich überzog auch ein Eispanzer Gr?nland. Dies führte die Erde in ein Eiszeitalter, in dem wir uns nach wie vor befinden.
Weshalb es zu dieser globalen Abkühlung kam, darüber debattieren Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler seit Jahren. Die einen erkl?ren es damit, dass sich vor 15 Millionen Jahren grosse Gebirge wie die Anden, der Himalaja und die Alpen anzuheben begannen und dass diese Gebirgszüge die Erosion sowie die Verwitterung von Gesteinen beschleunigten. Die geochemischen Verwitterungsprozesse entzogen der Atmosph?re mehr Kohlendioxid (CO2), als beispielsweise durch Vulkanausbrüche wieder zugeführt wurde. Dadurch wurde es auf der Erde immer k?lter.
Konstante Verwitterung widerspricht Hypothese
Ein Team aus Forschern der ETH Zürich, der Stanford University und des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam zeigt nun auf, dass diese Hypothese so nicht stimmen kann. Die entsprechende Studie ist soeben in der Fachzeitschrift externe Seite Nature erschienen.
Jeremy Caves Rugenstein, Daniel Ibarra und Friedhelm von Blanckenburg fanden anhand eines Modells und von früher publizierten Messdaten heraus, dass die Verwitterung im fraglichen Zeitraum zwischen 15 Millionen Jahren und dem Beginn des Eiszeitalters vor 2,5 Millionen Jahren nicht wie zuvor angenommen zunahm, sondern konstant blieb.
Hingegen wurden in jener Zeit die Gesteine der Landoberfl?che chemisch reaktiver. Mit der Zunahme der Reaktivit?t l?sst sich laut den Wissenschaftlern eine kontinuierliche, aber entscheidende CO2-Abnahme in der Atmosph?re und damit eine globale Abkühlung erkl?ren.
Mit Reaktivit?t bezeichnen Chemiker, wie reaktionsfreudig chemische Verbindungen oder Elemente sind, also wie schnell sie sich einen Reaktionspartner schnappen und mit diesem chemisch reagieren.
Dies gilt auch bei der Verwitterung von Gesteinen. Reaktionsfreudige Mineralien aus den Gesteinen reagieren ziemlich leicht mit Kohlens?ure. Diese entsteht, wenn sich CO2 aus der Luft in Regenwasser l?st. Kohlens?ure verbindet sich dann mit Ionen wie Magnesium oder Kalzium, was der Atmosph?re das Treibhausgas entzieht.
Effizientere Verwitterung
Tats?chlich sprechen die Ergebnisse des Modells dafür, dass die Landoberfl?che reaktiver wurde. Die Wissenschaftler erkl?ren dies mit unverwittertem chemisch reaktivem Gesteinsmaterial, das in dieser Zeit durch geologische Prozesse an die Oberfl?che gelangte. Solches Material ben?tigt im Vergleich zu bereits stark verwittertem Material weniger CO2 um zu reagieren. Dennoch kann dies dazu führen, dass über eine lange Zeit der Atmosph?re betr?chtliche Mengen CO2 entzogen werden.
Die Gebirgsbildungs-Hypothese hingegen geht davon aus, dass die Erosion und damit die Verwitterung stark zugenommen haben muss. Doch h?tte die Atmosph?re tats?chlich so viel CO2 verloren wie aufgrund der Zunahme der Verwitterung zu erwarten w?re, dann w?re nur sehr wenig CO2 übrig geblieben. ?Ein solcher Prozess h?tte unseren Planeten in einen eisigen unwirtlichen Ort verwandelt?, sagt Jeremy Caves Rugenstein, Studienerstautor und ehemaliger ETH-Fellow am Geologischen Institut der ETH Zürich. Aber das sei in den letzten 15 Millionen Jahren eindeutig nicht der Fall gewesen. ?Der Rückgang des CO2 in der Atmosph?re l?sst sich also auch ohne eine Zunahme der Verwitterung erkl?ren?, betont er.
Damit die Landoberfl?che reaktiver werde, brauche es aber geologische Prozesse, welche die Oberfl?che der Erde erneuere, erkl?rt Mitautor Friedhelm von Blanckenburg, Professor am GFZ in Potsdam. Ein solcher Prozess k?nne, müsse aber nicht zwingend die Entstehung grosser Gebirge sein. Ebenso k?nnten tektonische Brüche, eine geringe Zunahme der Erosion oder die Freilegung anderer Gesteinsarten dafür gesorgt haben, dass mehr verwitterungsf?higes Material an die Oberfl?che trat. ?Unsere neue Hypothese sollte auf jeden Fall ein Umdenken in Bezug auf die Abkühlung vor der letzten Eiszeit ausl?sen?, findet von Blanckenburg.
Isotope erz?hlen andere Geschichte
Zweifel an der Hypothese ?usserten von Blanckenburg und dessen Kollegin Jane Willenbring schon 2010. Sie zeigten damals mittels Messungen des durch kosmische Strahlung erzeugten Isoptops Beryllium-10 und seinem Verh?ltnis zum stabilen Isotop Beryllium-9 aus Ozeansedimenten, dass die Verwitterungsmenge der Landoberfl?che im fraglichen Zeitraum nicht zugenommen hatte.
Die soeben ver?ffentlichte Studie bringt die ursprüngliche Hypothese noch st?rker ins Wanken. Die drei Forscher nutzten als Indikator für Verwitterungsprozesse stabile Isotope des Elements Lithium, die in Ozeansedimenten vorliegen. Damit prüften sie, ob trotz konstanter Verwitterung die CO2-Menge in der Atmosph?re abgenommen haben k?nnte. Diese Daten flossen auch in das Computermodell des globalen Kohlenstoffzyklus mit ein.
Literaturhinweis
Caves Rugenstein JK, Ibarra DE, von Blanckenburg F. Neogene cooling driven by land surface reactivity rather than increased weathering fluxes. Nature. DOI: externe Seite 10.1038/s41586-019-1332-y