Mikroben als Partner des Lebens verstehen
Zwei Forscher der ETH Zürich erhalten von der kalifornischen ?Gordon and Betty Moore Foundation? je 1,5 Millionen US-Dollar, um die vielseitigen Lebensgemeinschaften von Bakterien mit anderen Wasserorganismen zu ergründen.
Leben ist Symbiose. Das zeigt sich immer deutlicher. Ob Mikrobe, Pflanze, Tier oder Mensch: Mikroorganismen besiedeln andere Lebewesen. Mit ihnen bilden sie faszinierende Gemeinschaften, die wechselseitig vorteilhaft sind. Ein Beispiel sind Korallen, in deren Gewebe Mikroalgen wohnen, die Korallenriffs ihre leuchtenden Farben verleihen. Die Wissenschaft sieht in solchen Symbiosen eine immer wichtigere Funktion für ?kosysteme und für die Evolution. Dabei ist das Gros dieser Partnerschaften noch kaum beschrieben.
Zwei Wissenschaftler, die an der ETH Zürich das geheime Beziehungsleben von marinen Mikroben studieren, sind J?rn Piel und Roman Stocker. Nun erhalten sie je einen ?Investigator Award? von der renommierten Gordon and Betty Moore Foundation in der H?he von 1,5 Millionen US-Dollar. Die Auszeichnung, die als Grant vergeben wird, erm?glicht es den beiden ETH-Professoren w?hrend fünf Jahren, Symbiosen in Gew?ssern, an denen Mikroorganismen beteiligt sind, zu erforschen.
Von Computerchips zur Forschungsf?rderung
Hinter der kalifornischen Stiftung stehen der Intel-Mitgründer Gordon Moore und seine Frau Betty. Moore wurde als Urheber des Moore’schen Gesetzes über die Entwicklung von Computerchips weltberühmt. Im Jahr 2000 gründete das Paar die Stiftung mit einem Anfangskapital von fünf Milliarden US-Dollar. Seither unterstützen sie Projekte in Grundlagenforschung, Umweltschutz und Gesundheit.
Mit der Initiative ?Symbiosis in Aquatic Systems? f?rdert die Moore Foundation insgesamt fünfzehn individuelle Forschungsprojekte von Wissenschaftlern verschiedener Universit?ten. Ihnen gemeinsam ist der Fokus auf Meeres- und Süsswasser-?kosysteme, die zu den artenreichsten Lebensr?umen der Erde z?hlen. Die Initiative will verstehen, wie symbiotische Beziehungen zwischen Bakterien, einzelligen Algen und Wasserorganismen funktionieren und welche ?kologischen Rollen sie spielen.
Naturstoffe aus Bakterienfabriken in Schw?mmen
J?rn Piels Forschungsvorhaben dreht sich um marine Schw?mme. Sie geh?ren stammesgeschichtlich zu den ?ltesten mehrzelligen Tieren. Schw?mme bilden intime Partnerschaften mit Bakterien, die einen beachtlichen Teil der Schwamm-Biomasse ausmachen k?nnen. Die Schwamm-Bakterien produzieren unter anderem Abwehrstoffe, welche die Gemeinschaft vor Fressfeinden oder sie überwuchernden Organismen schützen.
?Wir wollen Methoden entwickeln, um diese faszinierenden Verb?nde genauer zu charakterisieren?, erkl?rt Piel. Dabei interessieren ihn die bioaktiven Substanzen und wie die Bakterien diese synthetisieren. Solche derzeit schwer zug?nglichen Naturstoffe sind potenzielle Kandidaten für neue Antibiotika oder Wirkstoffe für die Krebstherapie. Allerdings lassen sich die meisten Schwamm-Bakterien bislang nicht im Labor kultivieren.
Winzigen Riesen auf der Spur
Roman Stocker interessiert sich dafür, wie marine Mikroben mit ihrer Umwelt interagieren. Mit dem Grant studiert er die symbiotische Beziehung von zwei grossen Akteuren in der Nahrungskette des Ozeans: Phytoplankton und heterotrophe Bakterien. Das Phytoplankton stellt mittels Photosynthese die organische Materie her, die eine Vielzahl von Meeresorganismen ern?hrt – auch heterotrophe Bakterien, die auf die Zufuhr organischer Substanzen angewiesen sind. Von ihnen erh?lt das Phytoplankton im Gegenzug anorganische N?hrstoffe und Vitamine.
Stocker will herausfinden, wie die symbiotischen Mikroben einander finden, sich verbinden und N?hrstoffe austauschen. ?Die Art und Weise, wie die beiden Winzlinge zusammenwirken, beeinflusst letztlich den Kreislauf von Kohlenstoff und das Klima auf der Erde?, resümiert er. Für Stocker ist es bereits der zweite Investigator Award, den er von der Moore Foundation erh?lt.