Zukunft entwerfen

Herr Girot, weshalb braucht es neue Landschaftsarchitekten?
Christophe Girot: Die Frage entspricht einer Grundhaltung, die in der Schweiz lange vorherrschte: Viele dachten, wir brauchen kein Landschaftsdesign ¨C wir haben die Berge, wir haben die Natur ¨C alles ist gut. Was aber, wenn pl?tzlich nicht mehr ?alles gut? ist? Wenn wir St?dte neugestalten m¨¹ssen, damit sie k¨¹hler werden? Damit sie f¨¹r die Menschen ges¨¹nder werden? Das sind Fragen grossen Massstabs.

¡­f¨¹r die wir bislang keine Spezialisten ausbildeten?
Girot: Es gibt wegen des Klimawandels sehr viele Fragen, die wir mit herk?mmlichen Denkweisen nicht beantworten k?nnen. Ein Beispiel: Die B?ume hier in der Allee auf dem H?nggerberg sterben, weil es wegen der Sonne und dem Asphalt zu warm wird. Das sind die falschen B?ume f¨¹r den Klimawandel. Das Schema ?Baum X f¨¹r Region Y? geht nicht mehr auf. Wir ben?tigen Menschen, die kompetent sind, die Umwelt im Positiven zu modifizieren und die nicht nur drei, sondern dreissig Jahre in die Zukunft denken k?nnen.

Das klingt nach komplexen Aufgaben. Was werden die Studierenden lernen?
Teresa Gal¨ª-Izard: Wir werden neue Denkweisen erarbeiten m¨¹ssen, die Zusammenh?nge von Menschen mit ?Nicht-Menschen?, also Pflanzen, Tieren, B?den, ber¨¹cksichtigen. Und das unter dem Gesichtspunkt, dass sich die Bedingungen mit dem Klimawandel schnell und grundlegend ver?ndern.

Was heisst das konkret?
Gal¨ª-Izard: Die Master-Studierenden werden zum Beispiel lernen, zu modellieren, wie bestimmte B?den mit einer bestimmten Wassermenge in einem k¨¹nftigen Klima bestimmte Voraussetzungen f¨¹r das Wachstum von Pflanzen schaffen k?nnen. Unsere Absolventinnen und Absolventen sollen dynamische ?kosysteme entwerfen k?nnen. Wir haben aktuell immer noch eine sehr statische Sicht auf die Dinge. Wir werden so etwas wie eine neue Sprache entwickeln m¨¹ssen, um diese komplexen Zusammenh?nge ¨¹berhaupt zu erfassen.

Womit beginnen die Studierenden?
Girot: Die Studierenden erarbeiten sich in den ersten Semestern Grundlagen der Botanik, Bodenkunde, Hydrologie und Klimatologie ¨C aber auch in Geschichte und Theorie der Landschaftsarchitektur und in Ethik. Darauf aufbauend lehren wir Kompetenzen in Analyse, Entwurf und Planung, Materialien und Konstruktion sowie Pflanzenverwendung. Viel Stoff wird in kurzen ?bungen vermittelt, und dreissig Prozent des Unterrichts werden draussen stattfinden.

Wo?
Girot: In der Landschaftsarchitektur ist es wichtig, lokal zu arbeiten. Im ersten Semester unterrichten wir daher konzentriert in Basel. Wenn Landschaftsarchitekten in Singapur oder Melbourne ausgebildet werden ¨C wie sollen sie dann die Geschichte und die Kultur, die Bedeutung von Pflanzen und Bauten ¨C hier vor Ort verstehen?

Gal¨ª-Izard: Klar, unsere Studierenden sollen hingehen und sehen. Das geschieht lokal. Wir werden aber eine sehr strikte Methodologie unterrichten. Und diese Art und Weise, wie die Studierenden einen Ort erfassen, wird universell und auch global einsetzbar sein.

Wer soll sich f¨¹r den ETH-Master in Landschaftsarchitektur bewerben?
Girot: Der Master richtet sich an Architektinnen und Architekten mit einem universit?ren Bachelor, weil diese eine sehr gute Entwurfsausbildung haben, wir brauchen gute Designer.

Weshalb Designer?
Girot: Viele Wissenschaften sind analytisch und deduktiv. Das f¨¹hrt dazu, dass wir in regelm?ssigen Abst?nden Berichte dar¨¹ber erhalten, wie sich der Zustand der Erde verschlechtert. Es wird viel kommentiert, aber es folgt zu wenig Handlung. Als Designer ¨C so denken wir ¨C handeln wir in einem anderen Modus: Designer machen Vorschl?ge.

Gal¨ª-Izard: Anf?nger k?nnen sich in der Landschaftsarchitektur leicht verlieren. Der Beruf umfasst sehr viele F?cher aus den Geistes- und Naturwissenschaften. Und trotzdem muss man sehr konkrete L?sungen entwerfen. Wer geschult ist im Entwerfen, weiss, dass er am Ende ein physisches Resultat pr?sentieren muss. Das hilft, sich bei der Suche nach L?sungen nicht zu verlieren.

Absolventinnen und Absolventen sollen interdisziplin?re Teams f¨¹hren k?nnen. Wie lehren Sie das?
Gal¨ª-Izard: Die Probleme, die wir angehen wollen, k?nnen nur Teams l?sen. Also werden wir Arbeiten entsprechend bewerten. Wir werden die Entw¨¹rfe beispielsweise darauf beurteilen, ob sie mehr als eine ?Intelligenz? beinhalten.

Welche Intelligenzen meinen Sie?
Gal¨ª-Izard: Die Intelligenz eines guten Bodens zum Beispiel, die eines guten Management-Regimes, die Kapazit?t eines Systems, auf Extremereignisse zu reagieren ¨C aber es gibt noch viel mehr Intelligenzen, die je nach Projekt eine Rolle spielen. Ich sehe keine Sch?nheit in Entw¨¹rfen, die nicht verschiedene Intelligenzen vereinen. Das wird zu einer neuen Art von Landschaftsarchitekten f¨¹hren.

Was motiviert Sie, diesen neuen Studiengang anzubieten?
Gal¨ª-Izard: Die Studierenden. Ich sehe, dass es viele junge Leute gibt, die genau diese Fragen angehen wollen und k?nnen. Jetzt ist die Zeit ¨C und hier ist der Ort daf¨¹r.