Millimetergenau schief
Die Technologie des ETH-Spin-offs Incon.ai erlaubt es, Bausteine millimetergenau im Raum zu platzieren. Das macht Bauten mit Mustern oder akustischen Effekten m?glich.
Schattenspiele, wellenf?rmige Muster oder akustische Effekte: Werden Ziegelsteine in speziellen Winkeln aufeinandergelegt, k?nnen architektonische Kunstwerke entstehen. Damit die Effekte zur Geltung kommen und der Bau gleichzeitig stabil bleibt, müssen die Bausteine millimetergenau passen. Eine solche Pr?zision ist mit den üblichen Baupl?nen und Mauertechniken nur mit viel Aufwand zu erreichen.
Dank einer neuen, auf Augmented Reality (AR) basierenden Technologie lassen sich nun selbst die ausgefallensten Ideen umsetzen. Entwickelt hat sie der Robotiker und ETH-Pioneer-Fellow Timothy Sandy.
Software leitet Maurer an
Die Architekten erstellen dabei das Design am Computer und laden die 3D-Pl?ne auf eine Software. W?hrend der Arbeit auf der Baustelle richten die Maurer dann eine Kamera auf das Bauwerk. Die Software erkennt die Objekte und vergleicht die Position der einzelnen Teile mit jener im virtuellen Design.
Auf einem Monitor zeigt sie den Bauarbeitern, wie sie die Bausteine ausrichten müssen. ?Dank dieser Technologie k?nnen Menschen praktisch genauso exakt bauen wie Roboter?, sagt Sandy, ?damit werden v?llig neue Bauten und Formen m?glich?. In zwei Projekten wurde Sandys Software bereits eingesetzt.
Am Fuss des Olymps in Griechenland entwarfen die ETH-Architekten von Gramazio Kohler einen Weinkeller mit einer Fassade von total 225 Quadratmetern. Den Bau realisierten sie zusammen mit einem lokalen Unternehmen innerhalb von weniger als drei Monaten. ?Wir waren lediglich eine Woche vor Ort, um alles vorzubereiten?, erz?hlt Sandy.
Die halbtransparente Fassade des Weinkellers erzeugt Lichtmuster, die sich im Verlauf des Tages ver?ndern. Die Lücken zwischen den einzelnen Ziegelsteinen sorgen ausserdem für optimale Licht- und Luftverh?ltnisse im Rauminnern.
Schattenmuster und L?rmschutz
Beim zweiten Bauprojekt handelt es sich um die W?nde einer Cafeteria der Firma Basler & Hofmann im Zürcher Dorf Esslingen, eine ebenfalls von den Architekten Gramazio Kohler entworfene Holzkonstruktion. Die einzelnen Kl?tze wurden vorg?ngig auf der Vorderseite zu Polygonen abges?gt. Die asymmetrische Form der Kl?tze sorgt für wechselnde Schattenmuster.
Die Lücken zwischen den Kl?tzen schlucken ausserdem L?rm und unterstützen die dahinterliegende Belüftungsanlage. Insgesamt drei W?nde von total 90 Quadratmetern Fl?che wurden so konstruiert.
Robotik trifft Handarbeit
Der Software-Entwickler Timothy Sandy, 33, kommt eigentlich aus der Robotik. Nach einem Maschinenbau-Studium in den USA war er für den Master in Robotik an die ETH Zürich gekommen. Anschliessend widmete er sich in seinem Doktorat dem robotergestützen Bauen. Nun macht er dieses Wissen Maurern und Schreinern zug?nglich. ?Ehrlich gesagt arbeite ich lieber mit Menschen als mit Robotern zusammen?, sagt er und lacht.
Vor allem aber seien Roboter in punkto Mobilit?t und Geschicklichkeit noch weit von menschlichen F?higkeiten entfernt. Nur mit ganz spezifischen, flachen Bausteinen lasse sich heute bereits robotergestützt bauen. ?Mit der Software lassen sich die Vorteile von Computer-Design und Handarbeit kombinieren?.
In den beiden Pilotprojekten wurde die Software auf einen Computer geladen, der mit einer Kamera und einem Monitor verbunden war. Als Endger?t genügt aber auch ein einfaches Smartphone.
?Im Vergleich zu anderen AR-L?sungen ist die neue Technologie viel pr?ziser?, sagt Entwickler Sandy. So erkennt und verfolgt sie Objekte auch dann noch, wenn etwas die Sicht verdeckt oder Elemente im Hintergrund st?ren. Auch starkes Wackeln der Kamera oder ein Systemneustart stellen kein Problem dar.
Vor kurzem hat Sandy zusammen mit Fadri Furrer und Abel Gawel das Spinoff incon.ai gegründet. Derzeit prüft Sandy im Rahmen des Pioneer Fellowships der ETH, wie und für wen die Technologie dereinst auf den Markt kommen k?nnte.
Ausserdem wollen die Junggründer auch die Technologie weiterentwickeln. Die Software solle noch pr?ziser, stabiler und vor allem benutzerfreundlicher werden, sagt Sandy. Auch arbeitet das Team daran, den Prozess zu beschleunigen, so dass computergestütztes Bauen dereinst gleich schnell ist wie die üblichen Methoden.