Der Molekularbiologe mit Hang zum Sonnenbrand
Menschliche Zellen sind wie kleine, vielseitige Fabriken. ETH-Biologe Gabriele Alessandro Fontana erforscht, wie sie DNA-Sch?den reparieren. Die von ihm identifizierten Mechanismen erm?glichen es, Krankheiten besser zu verstehen und neue Medikamente zu entwickeln.
Wer seine Haut zu lange ungeschützt der Sonne aussetzt, holt sich einen Sonnenbrand. Genauer gesagt: Die UV-Strahlung der Sonne führt zu einer Entzündung betroffener Hautzellen. Wem dies zu oft passiert, muss mit vorzeitiger Hautalterung, Faltenbildung und einem erh?hten Risiko für Hautkrebs rechnen. Doch was geschieht innerhalb der Hautzellen, wenn diese durch Sonnenstrahlen besch?digt werden?
Dieser Frage widmet sich Gabriele Fontana, Postdoc am Lehrstuhl für Toxikologie von ETH-Professorin Shana Sturla, in seinem aktuellen Forschungsprojekt. Der in der N?he von Cremona aufgewachsene Biologe forscht seit 2019 an der ETH Zürich. Seine Faszination für die molekulare Welt der Zellen entdeckt er aber schon viel früher.
Ein Flair für die Molekularbiologie
Bereits im Schulunterricht begeistert sich Fontana für Chemie und Biologie. Von wissenschaftlichen Experimenten kann er nicht genug kriegen. Doch es ist nicht die klassische Biologie, mit ihrem Fokus auf Botanik und Zoologie, die es ihm antut. Vielmehr interessiert sich Fontana für das noch relativ junge Forschungsfeld der Molekularbiologie. Diese besch?ftigt sich mit der Regulation und Funktion unserer Gene und untersucht deren Interaktion mit Proteinen. Für Fontana liegt hier, im Inneren der Zellen, der Schlüssel, um Krankheiten besser zu verstehen und die Wirkungsweise und Entwicklung von Medikamenten zu verbessern.
Als er 2001 sein Biologiestudium in Mailand beginnt, war die Analyse und Sequenzierung von DNA noch sehr aufwendig und kostspielig. Noch w?hrend seines Studiums erlebt Fontana wie selbst die Sequenzierung ganzer Genome schnell und einfach m?glich wird. Er ist begeistert von den M?glichkeiten, die neue genetischen Methoden bieten und will selbst damit experimentieren.
Für seine Doktorart bleibt er an der Universit?t Mailand-Bicocca und untersucht die molekularen Ursachen der Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose, einer nicht heilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems. Nach Abschluss seiner Doktorarbeit entscheidet er sich für einen Postdoc am Friedrich Miescher Institut für biomedizinische Forschung in Basel.
Ein Pflaster für DNA-Sch?den
In Basel untersucht der damals 30-J?hrige, wie Zellen DNA-Sch?den selbst reparieren. Diese Mechanismen sind essenziell, da gr?ssere Sch?den zu b?swilligen Mutationen und daraus folgend Krebs führen k?nnen. ?Meine Kolleginnen und Kollegen am Friedrich Miescher Institut und ich haben die Schlüsselrolle eines Proteins namens Rif1 entdeckt?, sagt Fontana. Dieses Protein wirkt wie ein molekulares Pflaster für besch?digte DNA.
Fontana erkennt, dass dieser Prozess an ganz bestimmten Orten in der Zelle stattfindet. ?Wenn ein DNA-Strang gebrochen ist? erkl?rt er, ?wird die besch?digte DNA an den Rand des Zellkerns gebracht, wo das Protein Rif1 wartet und sie repariert.? Als der ETH-Forscher diesen Vorgang erstmals unter dem Mikroskop beobachtet, kann er es kaum glauben. Es gibt in der Zelle also einen bestimmten Ort, eine Art Werkstatt inklusive Lieferdienst, wo bestimmte DNA-Sch?den repariert werden. So genau konnte das bis anhin noch niemand zeigen.
Hautzellen unter dem Mikroskop
Nichts an der unscheinbaren grauen Box im Labor für Toxikologie der ETH Zürich deutet darauf hin, dass es sich bei diesem Ger?t um den Ferrari der UV-Bestrahlung handelt. Eingeklemmt zwischen einer Zentrifuge und einem Glaskasten voll mit Laborger?ten ist die quadratische Edelstahlbox für den Laien leicht zu übersehen. Doch für Fontana ist sie ein unerl?ssliches Instrument, um die sch?dlichen Auswirkungen von UV-Strahlen auf die menschliche Haut zu untersuchen.
Nach fünf spannenden Jahren in Basel wechselt er 2019 an die ETH. Auch in Zürich besch?ftigt er sich mit DNA-Sch?den und ihren pathologischen Folgen. Doch im Unterschied zu seinem Forschungsprojekt in Basel, wo er haupts?chlich mit Hefezellen arbeitete, untersucht er nun menschliche Hautzellen. Diese sind st?ndig Umwelteinflüssen ausgesetzt, welche das Genom destabilisieren, und eignen sich daher besonders gut, um diese Sch?den zu beobachten.
Der ETH-Forscher setzt menschliche Hautzellen, die als Kulturen im Labor gezüchtet werden, systematisch UV-Strahlung aus. Anschliessend untersucht er unter dem Mikroskop mittels unterschiedlicher biochemischer und genetischer Methoden, was dabei im Inneren der Zellen passiert. Dabei st?sst er auf einen Mechanismus, den wir bis anhin nur bedingt verstanden haben.
Die Grundlage für neue Sonnenschutzmittel
?Erh?hte UV-Strahlung führt zu Sch?den und Mutationen an bestimmten Stellen der Kern- und mitochondrialen DNA. Diese Ver?nderungen von Hautzellen k?nnen wir als neuen Indikator für Hauterkrankungen und Hautalterung verwenden?, fasst Fontana die Ergebnisse einer Studie zusammen, die er zusammen mit seiner Betreuerin externe Seite Hailey Gahlon verfasste. Auf der Grundlage solcher Biomarker soll es in Zukunft m?glich sein, pathologische Hautzellen früher und besser zu erkennen.
Doch der Biologe entdeckt nicht nur einen molekularen Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und DNA-Mutationen in Hautzellen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Mibelle Group untersucht er, wie sich diese Sch?den durch besondere Wirkstoffe, die in Zukunft für kosmetische Produkten verwendet werden k?nnten, reduzieren lassen. ?Diese Erkenntnisse k?nnten die Grundlage für eine neue Generation von Sonnenschutzmitteln mit effizienteren UV-Filtern bilden?, sagt der ETH-Forscher nicht ohne Stolz.
Kollaboration als Schlüssel zum Erfolg
Für seine Forschung an der ETH Zürich wurde Fontana 2021 mit dem James Mitchell Award ausgezeichnet. Dieser Preis ehrt Nachwuchsforschende, die in ihrer Forschung über disziplin?re Grenzen hinweg zusammenarbeiten. ?Ohne aktive Zusammenarbeit mit andreen Disziplinen?, betont Fontana, ?geht in der Molekularbiologie gar nichts?. Allein in seiner Forschungsgruppe arbeiten Chemiker, Physiker Molekularbiologen, Toxikologen und Bioinformatiker an gemeinsamen Fragen.
Dabei verfolgen alle ein gemeinsames Ziel: die molekularen Mechanismen von Krankheiten besser zu verstehen und dadurch die Grundlage für neue Behandlungsmethoden zu legen. Es ist vor allem dieses Denken ausserhalb von Silos, das Gabriele Fontana an der Molekularbiologie fasziniert.