Was uns frühere Vogelgrippe-Ausbrüche lehren
Forschende der ETH Zürich analysierten die Epidemie des Vogelgrippe-Stamms H7N9, zu welcher es 2013 bis 2017 in China kam. Neue genetische Stammb?ume helfen, in Zukunft Vogelgrippe-Epidemien besser zu überwachen.
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Das Wichtigste in Kürze
- An der Vogelgrippe-Epidemie 2013 bis 2017 in China zeigt sich: In Geflügelhaltungen k?nnen Erreger schon mehrere Monate, bevor sie entdeckt werden, zirkulieren.
- Auf Lebendgeflügelm?rkten kommt es zu einer starken Virus-Verbreitung.
- Eine kontinuierliche ?berwachung der Gesundheit der Tiere w?re sinnvoll, raten die Studienautorinnen.
Es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Vogelgrippeviren. Neben dem Subtyp H5N1, der in den vergangenen Jahren in der europ?ischen Wildvogelpopulation heimisch und damit zur Gefahr für die hiesigen Geflügelhaltungen geworden ist, ist da zum Beispiel der Subtyp H7N9. Dieser grassierte den Jahren 2013 bis 2017 beim Nutzgeflügel in China und hat dort auch Menschen infiziert – vor allem solche mit engem Kontakt zu lebendem Geflügel. Insgesamt sind in China 616 Menschen nachweislich an einer Infektion mit diesem Subtyp gestorben.
Experten verfolgen genau, wie sich die verschiedenen Vogelgrippeviren weiterentwickeln. Sowohl bei H7N9 als auch bei anderen Subtypen besteht die Gefahr, dass sich ihr Erbgut ver?ndert und die Viren in der Folge von Mensch zu Mensch übertragen werden k?nnen, womit eine Pandemie drohen würde.
Claire Guinat, in den vergangenen Jahren Postdoc in der Gruppe von ETH-Professorin Tanja Stadler, hat deshalb die Epidemiewellen, die H7N9 in den Jahren 2013 bis 2017 in China verursachte, untersucht. Dazu analysierten die Forscherinnen ver?ffentlichte Gensequenzen von H7N9-Viren, die von Menschen und Geflügel isoliert worden sind, und sie erstellten damit Genetik-Stammb?ume. Die Wissenschaftlerinnen vom Departement für Biosysteme der ETH Zürich in Basel verfolgten das Ziel, die Verbreitung der Vogelgrippe auf Geflügelm?rkten zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen für eine künftige bessere ?berwachung und Bek?mpfung dieser Krankheit.
Lebendgeflügelm?rkte im Zentrum
In China werden Hühner und anderes Geflügel oft lebend auf M?rkten verkauft. Dass solche M?rkte bei der ?bertragung der Vogelgrippe – sowohl von Tier zu Tier als auch auf den Menschen – eine wesentliche Rolle spielen, ist seit l?ngerem bekannt.
?Man wartet besser nicht, bis es zu Vogelgrippe-F?llen kommt, denn dann zirkuliert das Virus wahrscheinlich schon l?nger.?Tanja Stadler
Die ETH-Forscherinnen konnten nun mit den Stammbaumanalysen zeigen, dass das H7N9-Virus schon mehrere Monate in Geflügel zirkuliert haben musste, ehe es auf Geflügelm?rkten und in infizierten Menschen entdeckt wurde. Auch waren mutmasslich deutlich mehr Geflügelm?rkte betroffen als bisher bekannt war. Insbesondere in den Jahren 2013 bis 2016, als das Virus bei Geflügel praktisch keine Symptome ausl?ste, waren Ausbrüche schwierig zu bemerken. Anschliessend ver?nderte sich das Virus und verursachte bei Geflügel schwere Krankheitssymptome, was es einfacher machte, betroffene Hühnerhaltungen zu erkennen.
?Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass man besser nicht wartet, bis es zu Vogelgrippe-F?llen kommt, denn dann zirkuliert das Virus wahrscheinlich schon l?nger?, sagt ETH-Professorin Stadler. ?Stattdessen w?re es sinnvoll, die Gesundheit der Tiere in den St?llen und den Lebendgeflügelm?rkten kontinuierlich zu überwachen.?
Noch immer wachsam
Die Forschenden analysierten vor allem Viren aus den Grossregionen Shanghai und Guangdong. Sie fanden Hinweise, dass sich das Virus in diesen Ballungsr?umen auf Geflügelm?rkten stark verbreitet hatte. Alternativ h?tte es auch sein k?nnen, dass das Virus mit dem Transport von infizierten Tieren immer wieder von einer Grossregion in die andere eingeschleppt wurde. Doch so war es nicht; die Stammbaumanalysen entsprachen keinem Muster, welches eine solche regelm?ssige Viruseinschlepppung erkl?ren würde. Dies weist darauf hin, dass die Ballungsr?ume mit ihren Lebendgeflügelm?rkten beim Krankheitsgeschehen eine zentrale Rolle spielen. ?Angesichts der Schwere von Epidemien wie dieser muss jede betroffene Region Massnahmen ergreifen um die Viruszirkulation zu stoppen?, sagt Claire Guinat, die Erstautorin der Studie, die heute am Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement (INRAE) in Toulouse t?tig ist.
Die H7N9-Epidemie beschr?nkte sich auf China. 2017 begann das Land, Geflügel gegen den Erreger zu impfen. Zusammen mit intensivierten Hygienemassnahmen in Geflügelm?rkten konnten die Beh?rden die Epidemie bei Tieren abschw?chen und ?bertragungen auf Menschen stark reduzieren. Zu einzelnen Ausbrüchen der Krankheit kommt es aber noch immer. Letztmals starb 2019 ein Mensch an den Folgen einer H7N9-Infektion. Weil sich das Genom von Viren st?ndig ver?ndert, besteht weiterhin ein gewisses Risiko, dass das H7N9-Virus für Menschen wieder gef?hrlich werden k?nnte. Public-Health-Experten bleiben daher wachsam.
Literaturhinweis
Guinat C, Tang H, Yang Q, Valenzuela Agui C, Vaughan TG, Scire J, Yu H, Wei W, Zhiyuan C, Ducatez MF, Stadler T: Bayesian phylodynamics reveals the transmission dynamics of avian influenza A(H7N9) virus at the human–live bird market interface in China. PNAS, 17. April 2023, doi: externe Seite 10.1073/pnas.2215610120