Raumplanung: Innenentwicklung vor Aussenentwicklung!
Damit die Schweiz nicht weiter zersiedelt wird, braucht es ein Umdenken in der Siedlungsentwicklung. Wie sieht die Grundausrichtung der schweizerischen Raumentwicklung für die n?chsten Jahrzehnte aus?
Herausforderung Zersiedelung
Eine der grossen Herausforderungen der schweizerischen Raumentwicklung betrifft die fortschreitende Zersiedelung des Landes. Dem Trend, dass sich Siedlungsfl?chen immer mehr ausweiten, muss Einhalt geboten werden, wenn nachfolgende Generationen Spielr?ume für die Gestaltung ihrer Lebensr?ume behalten sollen. Kompaktere Siedlungsfl?chen erlauben es ausserdem, Energie effizienter zu nutzen und zu sparen.
Die zentrale r?umliche Mindeststrategie heisst deshalb: Innenentwicklung vor Aussenentwicklung! Damit ist gemeint, dass zun?chst die vorhandenen Siedlungsfl?chen entwickelt und besser genutzt werden sollten, bevor sie ausgeweitet werden. Es geht dabei um nichts weniger, als dass viele in der Raumentwicklung t?tige Akteure den Siedlungsbestand umfassend umwandeln müssen. Dies bedeutet nicht nur ungenutzte oder brach liegende Geb?ude und Fl?chen (Stichwort Industriebrachen) umzunutzen. Auch müssen die verantwortlichen Akteure bereits genutzte Fl?chen noch intensiver bewirtschaften. Dies w?re m?glich durch intensivere Nutzung der schon in Bauzonen eingeteilten Fl?chen, aber auch durch ?nderungen der Zonenpl?ne. Selbstverst?ndlich müssen die Akteure der Raumentwicklung, also Grundstückseigentümer, Fachleute und politisch Zust?ndige, in die Umwandlung des Siedlungsbestandes auch die vorhandenen Infrastrukturen mit einbeziehen, wie zum Beispiel die bestehende Anbindung an den ?ffentlichen Verkehr.
Revidiertes Raumplanungsgesetz fordert nach innen gerichtete Siedlungsentwicklung
Diese nach innen gerichtete Grundausrichtung der zukünftigen Raumentwicklung wurde am 3. M?rz anl?sslich der Abstimmung zur Revision des Raumplanungsgesetzes grossmehrheitlich angenommen. Die h?chste Legitimation eines Gesetzes in der Direktdemokratie verpflichtet. Sie ist eine Herausforderung für alle Beteiligten, auch für die Akteure der Raumplanung.
Die Nagelprobe erfolgt bei der Umsetzung – in jeder Gemeinde, in jeder Stadt und in jedem Kanton. Aber es gibt keine Patentrezepte! Und weil jeder Ort unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt, geht es nur über masszuschneidernde L?sungen. Dafür braucht es aber zweckm?ssige Methoden der Umsetzung.
Beitrag der Forschung: Methode Raum+
Wir haben uns in unserer Forschung an der Professur für Raumentwicklung in den letzten Jahren intensiv mit Fragen der Innenentwicklung und ihrer Umsetzung besch?ftigt. Sie erfordert als zentralen Kern eine aktive und alle staatlichen Ebenen umfassende Bilanz der Siedlungsfl?chen (wie viele Fl?chen werden ben?tigt, wie viele Fl?chen sind verfügbar), die regelm?ssig alle 2 bis 3 Jahre aktualisiert wird. Unverzichtbare Voraussetzung dafür ist eine fl?chendeckende, schweizweit m?glichst einheitliche und handlungsorientierte ?bersicht über die m?glichen Reserven an Siedlungsfl?chen. Dazu geh?ren neben quantitativen Aussagen auch Angaben zur r?umlichen Verteilung, zur zeitlichen Verfügbarkeit und den spezifischen Qualit?ten. Zu diesen Qualit?ten geh?rt beispielsweise der Grad der verkehrlichen Erschliessung, das Angebot ?ffentlicher Freir?ume im Umfeld oder die M?glichkeit, mehrere Grundstücke gemeinsam entwickeln zu k?nnen.
Vorreiter in der Schweiz waren ein grenzüberschreitender Versuch im Kanton Basel Landschaft 2006 und ein Modellvorhaben im Kanton Schwyz 2008/09, das mit Unterstützung des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) durchgeführt wurde. In den folgenden Jahren wurden entsprechende ?bersichten der vorhandenen Siedlungsfl?chenpotenziale unter anderem in den Kantonen Uri, Tessin, Wallis, St. Gallen und Schaffhausen erarbeitet. Die Kantone Appenzell Innerrhoden und Thurgau sind zur Zeit an der Umsetzung.
Genügend Reserven vorhanden, aber umsichtiger Umgang mit Boden n?tig
Die Auswertung der ?bersichten zeigt auch, dass in den meisten Kantonen genügend innere Reserven für zukünftige Entwicklungen vorhanden sind. Das heisst, dass keine neuen Fl?chen bebaut werden müssen, auch dann, wenn mit zunehmender Bev?lkerung gerechnet wird.
Aber Boden ist eine knappe und endliche Ressource. Die n?chsten Jahre werden zeigen, ob es gelingt, die Trendwende bei der Siedlungsentwicklung zu schaffen. Mit den regelm?ssig aktualisierten ?Raum+?-?bersichten haben die Kantone zusammen mit den Gemeinden und St?dten die M?glichkeit, nach innen gerichtete Strategien zu entwickeln und die anvisierten Ziele zu überprüfen.