«Wir allein können ja nichts ändern» – oder doch?
Im politischen Diskurs um den Klimaschutz h?rt man oft, dass die Treibhausgasemissionen eines so kleinen Landes wie der Schweiz global kaum ins Gewicht fallen und unsere Reduktionsbemühungen daher sinnlos seien. Doch diese Argumentation greift zu kurz: Es gibt erhebliche Anreize, etwas für den Klimaschutz zu tun – wir sollten sie nutzen.
Mittlerweile sind die Zusammenfassungen für Entscheidungstr?ger aus allen drei Arbeitsgruppen des Weltklimarats IPCC zum fünften Sachstandsbericht ver?ffentlicht. Mit mehr Sicherheit als je zuvor lassen sich nun die unangenehmen Folgen eines globalen Temperaturanstiegs von über zwei Grad Celsius absch?tzen. Mit mehr Sicherheit als zuvor kann man heute aber auch sagen, dass wir es schaffen k?nnten, die globale Temperatur nicht wesentlich über zwei Grad hinaus steigen zu lassen, und dass die Kosten dafür nicht sehr dramatisch ausfielen, wenn wir unsere Treibhausgasemissionen umgehend deutlich reduzieren würden. Wer aber ist eigentlich gemeint mit dem ?wir?? ?Wir? alle auf dem Planeten? ?Wir? alle in der Schweiz? Oder auch jeder und jede Einzelne von uns?
Der Fluch des ?Trittbrettfahrens?
Die Frage nach dem ?Wir? scheint eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit der Klimapolitik zu sein. Dies vor allem deswegen, weil ?Klimaschutz? ein sogenanntes globales ?ffentliches Gut ist. Unabh?ngig davon, wer wo auf der Welt Treibhausgasemissionen vermindert, profitieren alle weltweit davon. Da Emissionsreduktionen mindestens kurzfristig mit Kosten verbunden sind, stellt sich natürlich die Frage, wieso einzelne Individuen und Gruppen oder auch einzelne L?nder solche Kosten auf sich nehmen sollen, wenn doch nicht nur sie selbst, sondern auch viele andere dadurch Vorteile haben, und zwar ohne dass diese anderen dafür Kosten aufwenden müssen (sogenanntes Tritbretttfahrerproblem). Solange man nicht sicher ist, ob andere auch etwas tun, schiebt man den schwarzen Peter gerne weiter.
Das Ganze l?sst sich dann gut mit dem Argument kaschieren, als kleines Land (wie die Schweiz) oder als einzelner kleiner Akteur k?nne man ja ohnehin nichts an der globalen Situation ?ndern. Man trüge nicht sehr viel zu den weltweiten Emissionen bei, und selbst wenn man die eigenen Treibhausgasemissionen auf null herunterfahren würde, w?re das global kaum spürbar.
Vorbildfunktion und ?konomische Chancen
Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation zutreffend zu sein. In der Tat haben die Emissionen einzelner Akteure oder kleiner L?nder für den Planeten insgesamt keine wesentlichen direkten Auswirkungen. Doch dies greift zu kurz. Zwei wichtige indirekte Effekte dürfen nicht übersehen werden. Erstens haben Anstrengungen zur Emissionsminderung einen Vorbildeffekt. Das Einsparen von Energie oder Emissionen kann Anerkennung im Freundeskreis oder in sozialen Netzwerken bringen und damit die Bereitschaft verst?rken, sich im eigenen Bereich für Emissionsminderungen zu engagieren. Und auch auf L?nderebene sind Vorbilder wichtig. Die Tatsache etwa, dass in Skandinavischen L?ndern hohe CO2-Steuern nicht zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führen, mag andere L?nder ermutigen, mehr für den Klimaschutz zu tun.
Zweitens kann Klimaschutz auch zum gewinnbringenden Gesch?ftsmodell werden. Dies gilt vor allem für L?nder und Firmen, die für innovative Technologien, z.B. bei der Erzeugung und Speicherung regenerativer Energien, rasch Absatz finden dürften. Aber auch neuartige Strategien im Haushaltsbereich, wie etwa sogenannte ESCOs (Energy Service Companies), die für individuelle Hauseigentümer den hohen Investitionsbedarf effizienter Heiz- oder Kühlsysteme übernehmen und diesen in monatliche Raten umwandeln, k?nnten interessante Renditen abwerfen.
Fazit: ?Wir? k?nnen etwas ?ndern!
Auch wenn die Schweiz ein kleines Land ist und auch wenn die Emissionsreduktionen einzelner Akteure auf globaler Ebene keinen erkennbaren direkten Effekt haben – angesichts der indirekten Folgen unseres Handelns gibt es erhebliche Anreize, etwas für den Klimaschutz zu tun. Nutzen wir sie, indem wir etwas ?ndern, Trittbrettfahren der anderen hin oder her.
Dieser Beitrag basiert auf dem Editorial von Renate Schubert im ProClim- Flash (Nr. 60), dem Magazin von ProClim–, Forum for Climate and Global Change. Den originalen Text finden Sie external page hier.