Die Stadt der Zukunft: bitte erdbebensicher!

In den letzten 25 Jahren sind etwa 700¡¯000 Menschen durch Erdbeben und ihre direkten und indirekten Auswirkungen wie etwa Tsunamis oder Erdrutsche gestorben. Die Prognosen f¨¹r die kommenden 25 Jahre sind ?hnlich grimmig: Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Mega-Erdbeben auf Mega-Cities treffen. Grund daf¨¹r ist die rasant fortstreitende, weltweite Urbanisierung. Sie macht Szenarien mit bis zu einer Million Toten und / oder ?konomischen Sch?den von bis zu einer Billiarde Dollar denkbar. Reden die Medien also zurecht von ?Killer-Erdbeben??

Als Seismologe m?chte ich an dieser Stelle daran erinnern, dass nicht Erdbeben Menschen t?ten, sondern H?user beziehungsweise von Menschen gemachte Strukturen. Der Schwarze Peter liegt somit bei uns selbst. Anders als bei anderen Naturgefahren wie etwa Lawinen oder ?berschwemmungen ist ein Erdbeben je nach Umgebung ein ungef?hrliches und sogar beindruckendes Erlebnis. Ein starkes Erdbeben auf der gr¨¹nen Wiese, in einem Zelt oder in einem erdbebengerecht erbauten Geb?ude zu erleben, w?re furchteinfl?ssend, aber abgesehen davon harmlos. Ganz anders in einem nicht f¨¹r Erdbeben ausgelegten Geb?ude. Wenn dieses einer starken Bodenbewegung ausgesetzt wird, kann es lebensbedrohlich werden. Durch Erdbeben ausgel?ste Sekund?reffekte, insbesondere Tsunamis, sind zudem f¨¹r Menschen direkt gef?hrlich.

Selten, aber mit zerst?rerischem Potenzial

Und wie sieht es in der Schweiz aus? Nur wenige wissen, dass bei uns Erdbeben das gr?sste Schadenspotential unter den Naturgefahren aufweisen. Das Bundesamt f¨¹r Umwelt sagt dazu: ?Heute weist die Mehrzahl der bestehenden Bauten und Anlagen in der Schweiz eine unbekannte und zum Teil zu geringe Erdbebensicherheit auf?. [1] Gl¨¹cklicherweise sind starke Erdbeben in der Schweiz selten. Wenn es aber erneut wie 1855 in Visp oder 1356 in Basel bebt, dann w?ren zehntausende Geb?ude stark besch?digt und die Kosten k?nnten 100 Milliarden Franken ¨¹bersteigen. Zudem w¨¹rden zehntausende Hausbesitzer in den Bankrott getrieben und so manche Bank in eine ernsthafte Schieflage geraten, denn eine fl?chendeckende Versicherung gegen Erdbeben kennt die Schweiz trotz mehreren Anl?ufen bislang nicht.

Ich w¨¹nsche mir daher von allen, die mithelfen die St?dte der Zukunft zu bauen, hier in der Schweiz oder irgendwo auf der Welt: Bitte vergesst die Erdbeben nicht in der Planung! Es ist weder schwer noch teuer, erdbebengerecht zu bauen, das Wissen existiert. Aber es fehlt oftmals das Bewusstsein, um dieses anzuwenden. In manchen Regionen der Welt fehlt zudem das grundlegende Wissen ¨¹ber das Risiko und den Umgang damit. In diesem Bereich k?nnten sich meiner Ansicht nach die Schweiz und die ETH Z¨¹rich noch mehr engagieren. Ein wichtiger Meilenstein dazu ist im Januar erreicht worden: Der Bundesrat hat beschlossen, dass sich die Schweiz und die ETH Z¨¹rich auch in der zweiten Phase des ?Global Earthquake Model? (GEM, [2]) beteiligen werden. GEM wurde 2006 in Form einer Public-Private Partnership vom Global Science Forum der OECD (Organisation f¨¹r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ins Leben gerufen und massgeblich auch von der ETH Z¨¹rich voran getrieben. Ziel ist der Aufbau einer offenen und global vernetzten Plattform zur Kartierung und ?berwachung von Erdbebenrisiken. Ein Fokus liegt dabei speziell auf Entwicklungs- und Schwellenl?ndern, wo das Wissen ¨¹ber Erdbeben zum Teil noch begrenzt ist.

Es liegt in unsere Hand, wie viel Schutz wir uns leisten k?nnen und wollen. Wir w?ren in der Lage das Risiko f¨¹r Erdbebensch?den in der Welt und in der Schweiz nicht weiter anwachsen zu lassen. Wir k?nnten es sogar ¨¹ber die n?chsten Jahrzehnte mehr als halbieren. Warum eigentlich nicht?