Madagaskars neue Forschergeneration
In Madagaskar w?chst eine junge Generation heran, die selbstst?ndig an der Erforschung und dem Schutz der einzigartigen Biodiversit?t der Insel beteiligt ist. Erm?glicht wird dies durch Bildungsprogramme, die noch weit über die Teilnehmenden hinaus wirken.
10.000 der weltweiten Pflanzen- und knapp 800 der Wirbeltierspezies existieren nur auf Madagaskar und jedes Jahr werden neue Spezies auf Madagaskar entdeckt (siehe auch [1]). Gleichzeitig schrumpfen die natürlichen Lebensr?ume von Pflanzen und Tieren auf der Insel st?ndig [2]. Viele – oft internationale – Initiativen und Organisationen versuchen, diesem Trend entgegenzuwirken und gemeinsam mit Madagaskars Bev?lkerung nachhaltige Konzepte zum Erhalt dieses Biodiversit?ts-Hotspots zu realisieren.
Naturschutzprojekte k?nnen nur auf Basis solider Kenntnisse des jeweiligen ?kosystems und seiner Schlüsselarten gerechtfertigt und sinnvoll definiert werden. Leider fand Feldforschung in Madagaskar lange Zeit ohne die Beteiligung von Malegassen statt. Als Tr?ger, Guides, Helfer oder K?chinnen eines internationalen Forschungsprojektes erfuhren sie selten etwas über dessen Ergebnisse, welche an Universit?ten und in Fachjournalen fernab Madagaskars und der malegassischen Bev?lkerung publiziert wurden und dort Anerkennung oder sogar Ruhm erlangten. Echte Berührungspunkte mit der Bev?lkerung fehlten.
Madagaskars Bildungssystem
Das staatliche Bildungssystem der Insel liefert eine schlechte Grundlage für malegassische Forscherinnen und Forscher. Der Schulzugang ist nach wie vor stark einkommensabh?ngig und nur etwa ein Viertel der Kinder und Jugendlichen besucht eine Sekundarschule [3,4]. W?hrend in der Schweiz knapp 40 Prozent der Bev?lkerung eine h?here Ausbildung absolvieren, besuchen nur etwa 5 Prozent aller Malegassen eine Institution für h?here Bildung. Darüber hinaus begünstigen verh?ltnism?ssig hohe Studiengebühren, Ausf?lle von Infrastruktur und Lehrangeboten und die generell schlechten Studienbedingungen eine hohe Abbruchrate und sehr lange Studienzeiten [3,4], weshalb nur relativ wenige Studenten innerhalb eines sinnvollen Zeitraums zu einem Abschluss geführt werden.
Die Vahatra Association
Wie k?nnen Madagaskars Studenten trotz aller Hindernisse Anschluss an die internationale Forschungswelt erhalten? Die Vahatra Association in Antananarivo versucht sie dabei zu unterstützen [5]. ?Vahatra? bedeutet Graswurzel auf malegassisch und spielt mit dem englischen Begriff des ?grassroot movements?, aber auch dem der eigenen Wurzeln. Die Organisation hat ein Bildungs- und Forschungsprogramm ins Leben gerufen, das malegassische Studenten in moderner biologischer Feldforschung ausbildet, sie auf Umweltschutzprobleme spezialisiert und gleichzeitig versucht, das Wissen um die malegassische Biodiversit?t, ?kologie und Evolutionsbiologie zu mehren und der malegassischen Bev?lkerung zug?nglich zu machen.
Geistiger Vater des Programms ist Steven Goodman, ein weltbekannter US-amerikanischer Biologe, der mit seinen Arbeiten und Entdeckungen im Bereich der malegassischen Flora und Fauna Meilensteine setzte [6]. In den frühen 90ern startete er das ?Ecological Training Program? (ETP) und führte malegassische Biologiestudenten in zweiw?chigen Feldexkursionen in aktuelle Feldforschungsmethoden ein. 2007 zog das Projekt Bilanz: Mehr als 75 Studenten hatten in Zusammenarbeit mit ETP einen Hochschulabschluss im Bereich Zoologie, Botanik oder Artenschutz erreicht, 250 Studenten hatten insgesamt von den Field Schools profitiert, knapp 500 wissenschaftliche Publikationen entstanden aus ihren Projekten und circa 50 neue Tierspezies wurden entdeckt.
Nach diesem Erfolg wandelte sich das ETP in die heutige Vahatra Association, und man erweiterte die Aktivit?ten. Um die Forschungsergebnisse anschaulich zu dokumentieren und m?glichst vielen Menschen zug?nglich zu machen, ver?ffentlicht Vahatra regelm?ssig zoologische Führer und hat ein eigenes Fachmagazin namens ?Malagasy Nature? gegründet. Auch ein zoologischer Atlas sowie eine im Internet frei zug?ngliche Biodiversit?tsdatenbank [7] sind Ergebnisse dieser Bemühungen. Neben Field Schools und universit?ren Lehreins?tzen offeriert Vahatra ausserdem Stipendien für talentierte Studentinnen und Studenten, die von den Vahatra-Mitgliedern w?hrend ihrer Master-, Doktor-, oder PostDoc-Arbeit betreut werden. Ziel ist es, Madagaskars junge Forscher und ihre Ver?ffentlichungen auf internationales Niveau anzuheben und untereinander sowie mit der weltweiten Forschergemeinde zu vernetzen. Auch Forschende der ETH Zürich pflegen Kontakte mit Vahatra [8].
Botschafter für den Artenschutz
Zwar muss man sagen, dass es sich bei den durch Vahatra Gef?rderten um Universit?tsstudenten handelt, die einer privilegierten Minderheit des Landes angeh?ren. Dennoch zeigt das Programm, dass es sich lohnt, zukünftige Führungskr?fte für Umweltschutzthemen zu sensibilisieren: Zahlreiche Alumni des Programms sind heute in h?heren Regierungsstellen oder Non-Profit-Organisationen für den Artenschutz t?tig und immer noch sehr gut untereinander vernetzt.
Auch wenn Vahatra nur eine Minderheit f?rdert, multipliziert sich der Effekt der Bemühungen um eine bessere Ausbildung malegassischer Forscher: Die Programm-Teilnehmer werden selbst zu Botschaftern für den Artenschutz. Im Rahmen des Projekts ?Science for the People? besucht Vahatra Schulen und D?rfer, organisiert Diskussionsrunden, h?ndigt Infomaterialien aus, l?dt zu Dokumentarfilmen und Wissensspielen ein, um Wissen und Wertsch?tzung für die Biodiversit?t Madagaskars in die Bev?lkerung zu tragen.
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Melanie Weisser hat an der ETH einen Masterabschluss in Biologie gemacht und arbeitet seit 2011 als Doktorandin in Strukturbiologie am Institut für Molekularbiologie und Biophysik. Ihr Interesse an Wissenschaft im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Entwicklung führte sie im Oktober 2014 gemeinsam mit einer Gruppe anderer Doktoranden und Studierenden nach Madagaskar. Im Rahmen einer dreiw?chigen wissenschaftlichen Reise konnte die Gruppe verschiedene Forschungsprojekte und Nachhaltigkeitsinitiativen vor Ort kennenlernen. Im ETH Zukunftsblog m?chte sie Einblicke in diese Projekte geben.
Weiterführende Informationen
[1] Blogbeitrag: Lokales Küstenmanagement in Madagaskar
[2] Umweltprobleme in Madagaskar: external page Wachsende Zerst?rung (WWF)
[3] external page Informationen zum malegassischen Bildungssystem (Wikipedia)
[4] external page Statistiken zur malegassischen Ausbildungssituation von UNICEF
[5] Vahatra external page Homepage
[6] Portr?t von Prof. Steven Goodman external page im Science Magazin
[7] Zugang zur external page Rebioma Datenbank
[8] Madagaskar Symposium an der ETH (2013)