Eine systemische Sicht auf die Mobilitätszukunft

Das weltweite Verkehrssystem wird in Zukunft einen wachsenden Anteil am globalen Ausstoss des klimawirksamen CO₂ beisteuern. Zudem verbraucht es in seiner jetzigen Form endliche fossile Energietr?ger. Daraus ergibt sich zwingend, dass wir unsere Mobilit?t umgestalten m¨¹ssen, um sie klimakompatibel und unabh?ngig von endlichen Energiequellen zu machen. Mit der Erforschung und Entwicklung m?glicher Transformationspfade hin zu diesem Ziel befasst sich das Schweizerische Kompetenzzentrum f¨¹r Energieforschung (SSCER) ?Effiziente Mobilit?t?[i]. Dabei ist zentral: Eine solche Transformation kann nur dann gelingen, wenn die Mobilit?t von Personen und der Transport von G¨¹tern als Gesamtsystem betrachtet, als solches verstanden und anschliessend zielgerichtet beeinflusst werden kann. Die strategische Ausrichtung des SCCER ?Effiziente Mobilit?t? orientiert sich deswegen an einem Satz von Eingriffen ins System, welche sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite umfassen.

Das System aus allen Blickwinkeln betrachten

Wir beachten dabei jeweils die gesamte Prozesskette, ausgehend von den nachgefragten Verkehrsdienstleistungen ¨¹ber die Verkehrs- und Fahrzeugsysteme bis zu den f¨¹r jede Antriebstechnologie m?glichen Energietr?gern. Letztere bestimmen schliesslich den Prim?renergieumsatz und den CO₂-Ausstoss des Verkehrssystems. Die f¨¹r die Infrastruktur und die einzelnen Komponenten der Antriebs- und Fahrzeugsysteme erforderlichen Materialstr?me sollen zus?tzlich durch eine sorgf?ltige Lebenszyklusanalyse (auch als ?kobilanz bekannt) in die Bewertung eingehen.

Eine solche ganzheitliche Betrachtung kann eine grosse Anzahl von Hebeln identifizieren, mit denen sich die Entwicklung des Verkehrssystems in die gew¨¹nschte Richtung lenken l?sst. Einzelne Eingriffe beeinflussen jedoch andere Stellschrauben im System, deswegen ist es unabdingbar, die Dynamik der internen Wechselbeziehungen zu verstehen.

Jeder Verkehrssektor ¨C Personen- und G¨¹terverkehr ¨C hat ausserdem seine Eigenheiten, sodass einzelne Interventionen (ob Policy-Massnahmen oder technologische Durchbr¨¹che) unterschiedlich wirksam sind. Zudem w?chst der G¨¹terverkehr auf der Strasse schneller als der motorisierte Individualverkehr von Personen; letzterer ist aber, wie untenstehende Tabelle 1 zeigt, wesentlich ineffizienter, so dass ich hier beispielhaft auf die Transformation desselben in Richtung Nachhaltigkeit eingehen m?chte.

Tabelle 1: Vergleichende Kosten und CO₂-Ausstoss pro Kilometer und Tonne ?Nutzlast? beim G¨¹terverkehr auf der Strasse (schwere Nutzfahrzeuge) und beim motorisierten Individualverkehr (eigene Berechnungen)

Den Personenverkehr effizienter gestalten

Um auf der Nachfrageseite anzusetzen, zielen wir unter anderem darauf, die Fahrtdistanzen und -frequenzen an sich zu reduzieren, die Fahrzeugbelegung zu erh?hen und einen Teil des Verkehrs auf den ?ffentlichen Verkehr zu verlagern. Beispielsweise l?sst sich ¨¹ber Preisgestaltung, geeignete Arbeitszeitmodelle zum Abbau von Pendelspitzen, eine entsprechend gestaltete Siedlungspolitik, sowie geeignete Informations- und Kommunikationsmittel der Personenverkehr effizienter gestalten. Dem entgegen stehen jedoch zum Beispiel die erforderlichen sehr hohen Investitionen in die Infrastruktur des ?ffentlichen Verkehrs, die l?ngeren Fahr- und Umsteigezeiten desselben, sowie die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft und dadurch steigende Komfortbed¨¹rfnisse. Hinzu kommt, dass raumplanerische Massnahmen nur ¨¹ber lange Zeitr?ume ihre Wirkung zeigen.

Aber auch die Anbieterseite ¨C also die Fahrzeughersteller, Verkehrsdienstleister etc. ¨C kann ihren Beitrag zu einem nachhaltigeren Personenverkehr leisten. Wichtige Hebelwirkungen sind hier der Einsatz von leichteren Fahrzeugen und die Nutzung hocheffizienter beziehungsweise emissionsarmer Antriebe (Erdgasmotoren, Hybridantriebe). Forschung an und Entwicklung von neuen Technologien unterst¨¹tzen den Wandel hin zu einem nachhaltigeren Personenverkehr. Dagegen arbeiten aber mehrere Faktoren, wie zum Beispiel der ?flat-rate?-Charakter der Motorfahrzeugsteuer und der Versicherungspr?mien, die Margenstruktur der Automobilindustrie, die Orientierung vieler Kunden an Prestigeautos als Indikator von Sozialstatus usw.

Fokus auf die wesentlichen M?glichkeiten

Wo immer man hinschaut, gibt es also Zielkonflikte und Wechselwirkungen: Deren Auflistung bedeutet nicht, dass die zwingend erforderliche Transformation des Verkehrssystems ?ad-acta? gelegt werden muss. Im Gegenteil, sie dient dazu, einerseits verbreitete Rezepte einem ?Realit?tscheck? zu unterziehen und andererseits die Aufmerksamkeit von Forschung und Politik auf die wesentlichen Interventionsm?glichkeiten zu lenken.

Um einen Beitrag in diese Richtung zu leisten, hat das SCCER ?Efficient Mobility? k¨¹rzlich das ?Strategic Guidance? Projekt lanciert. Dieses erfasst Bereiche mit hoher Hebelwirkung innerhalb des bestehenden Forschungsprogramms, ¨¹berpr¨¹ft einzelne Projektergebnisse im Rahmen einer Gesamt-Roadmap, identifiziert kritische Wissensl¨¹cken, um sie zu schliessen, und b¨¹ndelt Ergebnisse und Erkenntnisse f¨¹r einen umfassenden Austausch mit nationalen und internationalen Partnern aus Forschung, Industrie und Verkehrsdienstleistungsunternehmen.