Eine neue Grundlage für wissenschaftlich integres Handeln

Wissenschaftliche Integrit?t und gute wissenschaftliche Praxis stehen f¨¹r eine Haltung und ein Handeln, die den Umgang der Forschenden untereinander betrifft und sich in ihrer t?glichen Arbeit ?ussert: Schliesslich m¨¹ssen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ¨C ebenso wie Wirtschaft und Gesellschaft ¨C darauf verlassen k?nnen, dass wissenschaftliche Ergebnisse redlich, offen, nachvollziehbar und wiederholbar entstehen.

2008 erstmals erlassen, sind die ?Richtlinien der ETH Z¨¹rich zur wissenschaftlichen Integrit?t (RSETHZ 414)? im letzten Jahr vollst?ndig ¨¹berarbeitet worden. Der neue ?externe Seite Kodex zur wissenschaftlichen Integrit?t?, den die Akademien der Wissenschaften Schweiz im Mai 2021 ver?ffentlichten, war die zentrale Grundlage der Totalrevision: Wissenschaftliche Integrit?t baut demnach auf den vier Grundprinzipen Verl?sslichkeit, Redlichkeit, Respekt und Verantwortung auf. Die Integrit?ts-Richtlinien pr?zisieren diese Grundprinzipien f¨¹r verschiedene Aspekte der wissenschaftlichen T?tigkeit.

Die Integrit?ts-Richtlinien gelten f¨¹r alle ETH-Angeh?rigen, die an wissenschaftlichen T?tigkeiten in Forschung und Lehre mitwirken. Sie sind f¨¹r alle Disziplinen relevant und lassen Spielraum offen f¨¹r weitere, disziplinspezifische Konkretisierungen. Anfang Dezember hat die ETH-Schulleitung die neue Fassung genehmigt und sie auf den 1. Januar 2022 in Kraft gesetzt.

Klar in der Erwartung, sparsam in der Regulierung

?In den Integrit?ts-Richtlinien legen wir als ETH-Wissenschaftsgemeinschaft selbst die Standards unserer Lehr- und Forschungsarbeit fest, um so das Vertrauen in unsere Wissenschaften und unsere Resultate zu st?rken?, sagt Nicolas Gruber, Professor f¨¹r Umweltphysik (D-USYS). Er ist der Pr?sident der Kommission f¨¹r gute wissenschaftliche Praxis (GWP-Kommission) unter deren Leitung die Integrit?ts-Richtlinien totalrevidiert und intern konsultiert worden sind.

Kennzeichnend f¨¹r die erneuerten Integrit?ts-Richtlinien sind die Konzentration auf das Wesentliche und ein Bef?higungsansatz, der das erw¨¹nschte Verhalten beschreibt, anstatt das Unerw¨¹nschte aufzulisten. Auf allzu disziplinspezifische Konkretisierungen wird verzichtet: ?Die Integrit?ts-Richtlinien sind ein Leitfaden und kein Reglement. Sie geben praktische Orientierung f¨¹r den Alltag und dienen der Pr?vention?, sagt Gruber: ?Sie bestimmen, was integres Verhalten bedeutet, und sehen davon ab, jede Handlung bis ins Detail vorzuschreiben oder zu verbieten.?

?Die R¨¹ckmeldungen aus der internen Vernehmlassung ergaben, dass die neuen Integrit?tsrichtlinien im Vergleich zur bisherigen Version insgesamt eine Verbesserung darstellen. Der Wunsch nach Orientierung, Pr?vention und sparsamer Regulierung fand sich in mehreren Stellungnahmen?, erg?nzt Gruber. Die GWP-Kommission hat die zentralen Punkte der Stellungnahmen intensiv diskutiert und in der Folge diverse K¨¹rzungen sowie Pr?zisierungen vorgenommen.

Offenes Abw?gen bei Interessenkonflikten

Ausf¨¹hrlicher als bisher wird beschrieben, wie mit Interessenkonflikten in Forschungsprojekten und in Gremien, bzw. bei der Mitwirkung in Entscheidungs-, Beurteilungs- oder Evaluationsprozessen, umzugehen ist. ?Die Richtlinien setzen auf das Prinzip der Offenheit?, sagt Gruber, ?wichtig ist, dass Forschende einen Interessenkonflikt deklarieren, damit sich abw?gen l?sst, wie gewichtig dieser ist, und ob jemand auf ein Mandat oder Projekt verzichten muss.?

Nicht jeder Interessenkonflikt f¨¹hrt zum Ausschluss aus einem Gremium: Nach der Vernehmlassung wurden zu starre formale Kriterien weggelassen, da sie erfahrungsgem?ss f¨¹r ETH-interne Gremien unpraktikabel sind und zum Ausschluss von Personen f¨¹hren k?nnen. So erfordert eine ?enge Zusammenarbeit in den letzten f¨¹nf Jahren? oder eine gemeinsame Publikation in dieser Zeit nicht mehr automatisch, dass eine Mitwirkung abzulehnen ist. In der Kernphysik zum Beispiel, in denen es ¨C etwa bei Grossforschungsprojekten am Teilchenbeschleuniger CERN ¨C ¨¹blich ist, dass alle beteiligten Forschenden in der Autorenzeile erscheinen, kann eine Publikation gut 200 Autorinnen und Autoren haben. Da ist tats?chlich diskutierbar, ob eine Ko-Autorenschaft befangen macht.

Praktikable Prinzipien bei Publikationen

Bei der Autorschaft von wissenschaftlichen Publikationen wurden die existierenden Richtlinien angepasst und pr?zisiert. Unver?ndert gilt, dass die Autorschaft an drei Kriterien gebunden ist und alle drei erf¨¹llt sein m¨¹ssen, das heisst die Person muss einen wesentlichen wissenschaftlichen Beitrag zu einer Forschungsarbeit geleistet haben, sie muss an der Erarbeitung des Manuskriptes beteiligt gewesen sein und sie muss die Endversion des Manuskriptes gutheissen. Dabei sollen alle wissenschaftlich am Projekt Beteiligten so fr¨¹h wie m?glich und sinnvoll diskutieren, wer als Autorin oder Autor in Frage kommt. Die Autorschaft standardm?ssig schriftlich festzuhalten, wie in der Vernehmlassung vorgeschlagen, w?re im Konfliktfall zwar ein Vorteil, f¨¹r die allermeisten F?lle jedoch unverh?ltnism?ssig. Neu dazugekommen ist der Hinweis, dass die Beitr?ge der einzelnen Autorinnen und Autoren nachvollziehbar zu deklarieren sind.

N?chste Schritte: Sensibilisierung und Schulung

Die Revision der Integrit?ts-Richtlinien ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Massnahme zur F?rderung der wissenschaftlichen Integrit?t an der ETH. Um sie in der t?glichen Praxis zu verankern, werden die Richtlinien und ihre grundlegenden Prinzipien nun allen Angeh?rigen bekannt gemacht und periodisch wieder in Erinnerung gerufen.

Seit dem 1. Januar 2022 m¨¹ssen alle Doktorierenden, die sich neu an der ETH Z¨¹rich immatrikulieren, w?hrend des Doktorats mindestens einen Kreditpunkt im Bereich der Ethik und der guten wissenschaftlichen Praxis erwerben. Als Erg?nzung zum bereits existierenden Kursangebot wird ab diesem Fr¨¹hlingssemester ein aus Mitteln des Innovedum-Fonds gef?rderter Kurs ?Ethics and Scientific Integrity for Doctoral Students? angeboten. Dieser Kurs besteht aus einem E-Learning Modul zu den allgemeinen Grundlagen und einem disziplinspezifischen Modul. Der disziplinspezifische Kursteil sowie weitere thematische Module werden zusammen mit Pilotdepartementen entwickelt. F¨¹r diese und weitere institutionelle Sensibilisierungs- und Schulungsmassnahmen sowie zur Unterst¨¹tzung der ±Ø²©¹ÙÍø,±Ø²©ÌåÓý hat die Schulleitung Mitte Oktober 2021 zus?tzliche Mittel vorerst bis Ende 2025 gesprochen.