Künstliche Intelligenz versteht den Klang gesunder Maschinen
An Ger?uschen l?sst sich erkennen, wie gut eine Maschine funktioniert. ETH-Forschende haben ein neues maschinelles Lernverfahren entwickelt, das automatisch feststellt, ob eine Maschine ?gesund? ist oder eine Wartung n?tig hat.
Ob Eisenbahnr?der oder Generatoren in einem Kraftwerk, ob Pumpen oder Ventile – sie alle machen Ger?usche. Für geübte Ohren haben diese Ger?usche sogar eine Bedeutung: Bauteile, Maschinen, Anlagen oder Rollmaterial klingen n?mlich anders, wenn sie einwandfrei funktionieren, als wenn sie einen Mangel oder Fehler haben.
Die Ger?usche, die sie erzeugen, geben den Fachleuten somit nützliche Hinweise, ob sich eine Maschine sich in einem gutem – oder ?gesunden? – Zustand befindet, oder ob sie schon bald eine Wartung ben?tigt oder dringend zu reparieren ist. Wer rechtzeitig erkennt, dass eine Maschine fehlerhaft t?nt, kann einem kostspieligen Defekt zuvorkommen und eingreifen, bevor sie kaputtgeht. Folgerichtig gewinnen die ?berwachung und Untersuchung von Ger?uschen an Bedeutung für den Betrieb und die Instandhaltung technischer Infrastruktur – zumal das Aufnehmen von T?nen, Ger?uschen und akustischen Signalen mit modernen Mikrophonen vergleichsweise kostengünstig ist.
Um die ben?tigte Information aus solchen Ger?uschen herauszuziehen, haben sich bew?hrte Methoden der Signalverarbeitung und Datenanalyse etabliert. Zu ihnen z?hlt die sog. Wavelet-Transformation. Mathematisch lassen sich T?ne, Kl?nge, Ger?usche als Wellen darstellen. Bei der Wavelet-Transformation wird eine Funktion in eine Menge von Wavelets zerlegt. Das sind wellenartige Schwingungen, die zeitlich verortet sind. Die zugrundeliegende Idee dabei ist es, zu bestimmen, wie viel von einem Wavelet in einem Signal enthalten ist. Obwohl solche Verfahren recht erfolgreich sind, erfordern sie oft viel Erfahrung und eine manuelle Einstellung der Parameter.
Defekte frühzeitig erkennen
Nun haben ETH-Forschende ein maschinelles Lernverfahren entwickelt, das die Wavelet-Transformation vollst?ndig lernen kann. Der neue Ansatz eignet sich besonders für hochfrequente Signale wie Schall- und Vibrationssignale. Er macht es m?glich, automatisch zu erkennen, ob eine Maschine ?gesund? klingt oder nicht.
Der Ansatz, den die Postdoktoranden Gabriel Michau, Ga?tan Frusque, und Olga Fink, Professorin für Intelligente Instandhaltungssysteme, entwickelt und nun in der Zeitschrift PNAS ver?ffentlicht haben, verbindet Ans?tze der Signalverarbeitung und des maschinellen Lernens auf eine neue Art und Weise. Mit dem neuen Ansatz kann ein intelligenter Algorithmus, also eine Rechenregel, die akustische ?berwachung und Klanganalyse von Maschinen automatisch durchführen. Aufgrund seiner ?hnlichkeit zur bew?hrten Wavelet-Transformation lassen sich die Ergebnisse des vorgeschlagenen maschinellen Lernansatzes auch sehr gut interpretieren.
Das Ziel der Forschenden ist es, dass Fachpersonen, die in der Industrie Maschinen betreiben schon in naher Zukunft ein Tool nutzen k?nnen, das die Apparaturen automatisch überwacht und sie – ohne dass spezielle Vorkenntnisse erforderlich w?ren – rechtzeitig warnt, wenn in den Ger?ten auff?llige, abnormale oder ?ungesunde? Ger?usche auftreten. Das neue maschinelle Lernverfahren l?sst sich nicht nur auf unterschiedliche Maschinentypen anwenden, sondern auch auf verschiedene Arten von Signalen, Ger?uschen oder Vibrationen. Zum Beispiel erkennt es auch Schallfrequenzen, die Menschen – wie Hochfrequenz-Signale oder Ultraschall – von Natur aus nicht h?ren k?nnen.
Das Lernverfahren schl?gt jedoch nicht alle Arten von Signalen über eine Leiste. Vielmehr haben es die Forschenden so entworfen, dass es die feinen Unterschiede der verschiedenen Ger?usche feststellen und maschinenspezifische Befunde erstellen kann. Das ist nicht trivial, da der Algorithmus keine Beispiele von defekten Signalen zum Lernen hat.
Auf ?gesunde? Ger?usche fokussiert
In realen industriellen Anwendungen lassen sich meist n?mlich gar nicht so viele aussagekr?ftige Ger?uschbeispiele von defekten Maschinen sammeln, da Defekte nur selten auftreten. Daher ist es auch nicht gut m?glich, dem Algorithmus beizubringen, wie die Ger?uschdaten von Fehlern klingen und wie sie sich von den gesunden Ger?uschen unterscheiden. Die ETH-Forschenden trainierten die Algorithmen deshalb so, dass der maschinelle Lernalgorithmus lernte, wie eine Maschine normalerweise klingt, wenn sie einwandfrei l?uft, und dann erkennt, wenn ein Ger?usch vom Normalfall abweicht.
Dabei verwendeten sie eine Vielzahl von Ger?uschdaten von Pumpen, Ventilatoren, Ventilen und Gleitschienen und w?hlten einen Ansatz des ?unüberwachten Lernens?, bei dem nicht sie einem Algorithmus ?sagten?, was er lernen soll, sondern der Computer lernte ohne Anleitung und selbstst?ndig die relevanten Muster. Auf diese Weise bef?higten Olga Fink und ihr Team das Lernverfahren, verwandte Ger?usche innerhalb eines bestimmten Maschinentyps zu erkennen und auf dieser Grundlage zwischen bestimmten Fehlertypen zu unterscheiden.
Selbst wenn den Forschenden ein Datensatz mit Ger?uschdaten von Fehlern zur Verfügung gestanden h?tte, und sie dadurch in der Lage gewesen w?ren, ihre Algorithmen sowohl mit gesunden als auch mit defekten Bespielen zu trainieren, h?tten sie nie sicher sein k?nnen, dass eine solcherlei gekennzeichnete Datensammlung tats?chlich alle gesunden und fehlerhaften Varianten enthielte. Ihr Sample w?re wom?glich unvollst?ndig gewesen und ihr Lernverfahren h?tte je nachdem wichtige Fehlerger?usche nicht erkannt. Zudem kann derselbe Maschinentyp – je nach Nutzungsintensit?t oder Standortklima – sehr verschiedene Ger?usche erzeugen, sodass mitunter selbst technisch fast identische Defekte je nach Maschine sehr unterschiedlich klingen.
Lernen von Vogelstimmen
Der Algorithmus l?sst sich beileibe nicht nur auf die Ger?usche von Maschinen anwenden. Die Forschenden testeten ihre Algorithmen auch zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Vogelstimmen. Dabei verwendeten sie Aufnahmen von Vogelliebhabern. Die Algorithmen mussten lernen, verschiedene Vogelstimmen einer bestimmten Vogelart zu unterscheiden – und zwar so, dass die Art des verwendeten Mikrophones keine Rolle spielte: ?Das maschinelle Lernen soll die Vogelstimmen erkennen, nicht die Aufnahmetechnik bewerten?, sagt Gabriel Michau.
Dieser Lerneffekt ist auch bei technischer Infrastruktur wichtig: Auch bei den Maschinen müssen die Algorithmen die blossen Hintergrundger?usche und sowie die Einflüsse der Aufnahmetechnik ausschliessen, um die relevanten Ger?usche zu erfassen. Für eine Anwendung in der Industrie, ist es wichtig, dass das maschinelle Lernen die feinen Unterschiede zwischen den Ger?uschen erkennen kann. Damit es für die Fachpersonen in der Praxis nützlich und vertrauenswürdig ist, darf es weder zu oft Alarm schlagen noch relevante Ger?usche überh?ren.
?Mit unserer Forschung konnten wir aufzeigen, dass unser Ansatz des maschinellen Lernens die Anomalien unter den Ger?uschen erkennt, und dass er so flexibel ist, dass man ihn für verschiedene Signale und verschiedene Aufgaben anwenden kann?, schliesst Olga Fink. Ein wichtiges Merkmal ihrer Lernmethode ist, dass sie auch in der Lage ist, die Entwicklung der Kl?nge zu überwachen, so dass sie aus der Art und Weise, wie sich die Kl?nge im Laufe der Zeit entwickeln, Hinweise auf m?gliche Fehler erkennen kann. Dies er?ffnet mehrere interessante Anwendungsm?glichkeiten.
Literaturhinweis
Michau G, Frusque, G, Fink, O. Fully learnable deep wavelet transform for unsupervised monitoring of high-frequency time series. Proceedings of the National Academy of Sciences PNAS, Feb 2022, 119 (8) e2106598119; DOI: externe Seite 10.1073/pnas.2106598119.