Kleine Wesen, grosse Wirkung
Kieselalgen sind zwar winzig klein. Sie pr?gen jedoch die Verteilung von N?hrstoffen und Spurenelementen in allen Weltmeeren. Das zeigen Forschende in einer Studie auf, die in der Fachzeitschrift ?Nature Geoscience? erschienen ist.
Diatomeen sind weit verbreitet, sie leben in B?chen, Flüssen und Seen, aber auch im Salzwasser der Weltmeere. Besonders dominant treten diese auch als Kieselalgen bezeichneten Einzeller im Südlichen Ozean rund um die Antarktis auf. Sind genügend Licht und N?hrstoffe vorhanden, k?nnen sich die Kieselalgen dort explosionsartig vermehren. Eine Algenblüte ist die Folge.
W?hrend ihrer rasanten Entwicklung entziehen die Kieselalgen der obersten Wasserschicht grosse Mengen von Spurenelementen und N?hrstoffen, vor allem Silizium für den Bau ihrer Schalen und Zink als Bestandteil von wichtigen Enzymen. Die starke N?hrstoff-Verarmung aufgrund der Algenblüte macht sich in der obersten Wasserschicht deutlich bemerkbar – und beeinflusst die Ozeanchemie in weiten Teilen der Weltmeere, wie ein Team von Forschenden um Derek Vance, Professor für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich in einer ?Nature Geoscience?-Publikation aufzeigen.
Kieselalgen zehren N?hrstoffe auf
Die Forscher k?nnen die Kieselalgen-Massenvermehrung an Tiefenprofilen der Zink- und Silizium-Konzentration im Wasser verschiedener Meere ablesen: die Profile sind für die beiden Elemente identisch, mit einer deutlichen Verringerung im obersten Kilometer der Wassers?ule. Die Forscher deuten dies als Kombination der biologischen Aktivit?t der Kieselalgen, welche die oberste Wasserschicht rund um die Antarktis um ihre N?hrstoffe bringt, und dem Transport dieser an N?hrstoffen verarmten Wassermassen durch vorherrschende Str?mungen in andere Ozeane.
Die von N?hrstoffen entleerte oberste Wasserschicht fliesst oberfl?chlich in Richtung ?quator. Zwischen dem 45. und 50. Breitengrad sinkt sie unter eine w?rmere Oberfl?chenschicht ab. Diese mittlere Wasserschicht reicht weit in n?rdlichere Ozeane hinein und mischt sich nicht vollst?ndig mit anderen Schichten. Sie bleibt daher n?hrstoffarm.
Nicht alle Oberfl?chenwasser rund um die Antarktis fliessen zum ?quator hin. Nahe am antarktischen Kontinent bildet sich Meereis, sodass das Oberfl?chenwasser sehr salzig und dicht wird. Dieses dichte Wasser sinkt in die Tiefe. Zudem endet die Algenblüte ziemlich abrupt, sobald die N?hrstoffe aufgebraucht sind. Die Kieselalgen sinken nach ihrem massenhaften Absterben ebenfalls in den tiefen Ozean. W?hrend sie absinken, werden die Zellen teilweise von kleinen Meerestierchen aufgenommen und in deren Kot ausgeschieden.
In den Tiefen des Meeres zersetzen sich schliesslich die Zellen, Zink und Silizium gelangen zurück ins Meerwasser, 5000 Meter unter der Oberfl?che. In dieser Tiefe bleiben die beiden Spurenelemente gefangen und reichern sich an.
Das Tiefenwasser str?mt schliesslich in einer weiten Schlaufe in Richtung ?quator und zurück in Richtung Antarktis, wo es auftreibt und damit die angereicherten N?hrstoffe an die Licht durchflutete Wasseroberfl?che bef?rdert. Der Vermehrungszyklus der Kieselalgen kann von Neuem beginnen.
Widerspruch gekl?rt
Mit ihrem Ansatz, den Lebenszyklus der Kieselalgen mit den vorherrschenden Meeresstr?mungen des Südlichen Ozeans zu kombinieren, l?sen die Forscher um Vance auch das Paradoxon, dass sich die Tiefenprofile von Silizium und Zink decken, obwohl die beiden Stoffe in verschiedenen Teilen der Zellen verwendet werden.
Zink wird für Enzyme im organischen Teil der Zelle ben?tigt, Silizium bildet die anorganische Schale. Zu erwarten w?re, dass sich der organische Teil der Kieselalge nahe der Wasseroberfl?che zersetzt, die anorganische Schale in tieferen Wasserschichten. Dies würde zu unterschiedlichen Verteilprofilen führen – was aber nicht beobachtet wird. Die Forscher erkl?ren sich dies deshalb damit, dass die Zersetzung der abgestorbenen Zellen nicht im Oberfl?chenwasser stattfindet, sondern erst in einer mittleren Tiefe, wohin die abgestorbenen Algenzellen absinken. Dort zersetzen sich sowohl die organischen wie die anorgischen Teile, und die beiden Spurenelemente werden in derselben Wassermasse freigesetzt.
Beil?ufige Zinkaufnahme?
Weshalb Kieselalgen verh?ltnism?ssig viel Zink aufnehmen, obwohl ihr Bedarf an sich klein ist, ist laut dem ETH-Professor noch unbekannt. Eine m?gliche Erkl?rung: Die Organismen besitzen Transportproteine, welche lebensnotwendiges Eisen in die Zelle bef?rdern. Eisen ist im Meerwasser allerdings Mangelware. ?Um m?glichst viel Eisen aufzunehmen, sind diese Transportproteine m?glicherweise hyperaktiv. Als Nebeneffekt nehmen sie zus?tzlich unspezifisch zweifach positiv geladene Metall-Ionen auf, darunter auch Zink?, erkl?rt Vance.
Auf Expedition Kieselalgen sammeln
Um diese Hypothese zu testen, nehmen ein Doktorand und zwei Postdoktoranden von Vance an der aktuellen Schweizer Forschungsexpedition rund um die Antarktis (Antarctic Circumpolar Expedition) (ETH-News berichtete) teil. Sie sammeln Meerwasserproben, züchten die darin enthaltenen Kieselalgen unter verschiedenen N?hrstoffgaben im Labor an Bord. Ein Teil der Kieselalgen erh?lt beispielsweise Eisen als Dünger.
Damit wollen die Forscher herausfinden, welchen Effekt dieses Spurenelement auf das Zellwachstum hat. Die chemische Analyse der Schale und der Zellen findet erst nach Abschluss der Expedition an der ETH Zürich statt, denn um die extrem kleinen Mengen an Spurenelementen in den Kieselalgenschalen messen zu k?nnen, ist ein spezielles Massenspektrometer n?tig.
Zu wissen, wie Kieselalgen die Stoffkreisl?ufe in den Weltmeeren pr?gen, ist wichtig, um m?gliche Folgen des Klimawandels einsch?tzen zu k?nnen. ?Steigt aufgrund der globalen Erw?rmung die Temperatur oder sinkt der Salzgehalt des Meerwassers, k?nnten sich auch die Meeresstr?mungen und damit die Verteilung von Spurenelementen und N?hrstoffen ?ndern, was wiederum Kieselalgen und ihre biologische Aktivit?t betrifft?, betont Vance.
Literaturhinweis
Vance D, Little SH, de Souza G, Khatiwala S, Lohan MC, Middag R. Silicon and zinc biogeochemical cycles coupled through the Southern Ocean. Nature Geoscience Advance Online Publication 06 February 2017. DOI: externe Seite 10.1038/ngeo2890